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Die verlorenen Welten des Zdenek Burian

Zdenek Burian (1905–1981), einem der wohl wichtigsten und bekanntesten Illustratoren populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Werke, die sich mit der frühen Menschheitsgeschichte und der Frühzeit der Lebewesen auf der Erde beschäftigen, ist nun ein Band in der Reihe „Naturkunden“ im Matthes & Seitz Verlag Berlin gewidmet. Neben einer Auswahl der wichtigsten Gemälde und Zeichnungen des Künstlers zum Leben in der Urzeit rahmen ein Vorwort von C. J. Setz und ein Nachwort von A. Fischel diesen anschaulichen und liebevoll gestalteten Band.
Wenig Privates ist über den Künstler Z. Burian bekannt, der hochbegabt bereits mit 14 Jahren an der Prager Kunstakademie lernte, in den 1920er und 1930er Jahren des vorigen Jahrhunderts vor allem als Illustrator namhafter Abenteuerromane fungierte, bis er schließlich die Bekanntschaft des tschechischen Paläontologen Josef Augusta machte. Diese Begegnung sollte einen solchen Einfluss auf den jungen Mann machen, dass er eine fast lebenslange Beschäftigung mit dem Sujet der Prähistorie in Form von malerischen Rekonstruktionen begann. Für beide, kurze Zeit nach der tschechischen Ausgabe auch in Deutsch erschienenen Werke Augustas, „Verwehtes Leben“ (1957) und „Versteinerte Welt“ (1962) schuf er die bis heute unvergessene und vielmals kopierten Lebensbilder einer phantasievoll visualisierten Welt des Azoikums, Perm etc. Doch es waren eben keine völlig frei erfundenen Motive – die Arbeit Burians war von einer engen Zusammenarbeit mit dem tschechischen Paläontologen und nach dessen Tod 1968 mit dessen Nachfolger und Schüler Z. Spinar geprägt. Nicht zuletzt ist der große Erfolg von Arbeiten wie „Leben in der Urzeit“ (1976) oder „Tiere der Urzeit“ (1990) vor allem auch den Illustrationen Burians zu verdanken, der es wie kein Zweiter verstand eine längst ausgestorbene Welt neu und glanzvoll vor unseren Augen auferstehen zu lassen. Wenngleich diese Darstellungen heute sicherlich an wissenschaftlichen Wert verloren haben und teilweise, wie im Falle des Brontosauriers, selbst zur Zeit der Entstehung der Bilder bereits überholt waren, sind sie dennoch bis heute prägend und bestimmen unser Bild dieser längst vergessenen „verlorenen Welten“.
Doch genau dies ist freilich auch stets die Aufgabe der Kulturwissenschaftler einer jeden Epoche: Das eigene Bild und Verständnis dieser fernen Zeiten immer wieder anhand der neu gewonnenen Erkenntnisse zu entwickeln und dem Leser zugänglich zu machen. Neben der schriftlichen Präsentation spielen und spielten seit jeher vor allem zeichnerische Rekonstruktionen eine besonders große Rolle. Diese sind aber natürlich vor allem qualitativ und aussagekräftig, wenn eine gute Zusammenarbeit mit den entsprechenden Wissenschaftlern erfolgt. Unter dieser Prämisse spiegelt das Werk Burians nicht nur eine Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Sujet wider, sondern gleichsam das Verständnis und die Erkenntnis der jeweiligen Zeit und der zeitgenössischen Forscher. Gerade in den letzten Jahren mehren sich erfreulicherweise auch forschungsgeschichtliche Arbeiten, die genau diesen Fragen kritisch nachgehen und entsprechende wissenschaftsgeschichtlich orientierten Reflexionen bieten. Für die frühen Epochen der Prähistorie ist hier sicher besonders auf A. Dworsky, Dinosaurier! Die Kulturgeschichte (München 2011) sowie J. S. Rudwick, Scenes from Deep Time. Early Pictorial Representations of the Prehistoric World (Chicago 1995) hinzuweisen. Die Rekonstruktion der Dinosaurier und der sie umgebenden Umwelt stellt sich bis heute – im Zeitalter der 3-D-Rekonstruktionen etc. ebenso schwierig dar, wie sie Burian im 20. Jh. eine Herausforderung boten. Zumeist bieten rein fossilisierte knöcherne Hinterlassenschaften die Basis für die Erforschung der in der Tat verlorenen Welten, die es gilt möglichst naturnah so zu interpretieren, dass ein auch wissenschaftlich verwertbares Ergebnis vorgelegt werden kann. Letzteres erfordert aber aufgrund der Quellenproblematik stets einen recht hohen Grad an Interpretation.
Eine Würdigung der Arbeiten Burians als ästhetisch höchst anspruchsvoll und romantisch sowie seiner Bedeutung für die Paläontologie ist ein wichtiges Unterfangen, was gerade in dem Essay der Kunsthistorikerin A. Fischel zumindest im Ansatz dargelegt wird. Vor allem die aus kunstgeschichtlicher Sicht interessanten Techniken wie das Einsetzen „spektakulärer Perspektiven“ und die „fotografischen Effekte“ werden hier in besonderer Weise beleuchtet. Doch auch Burian als Zeitzeuge, der beide Weltkriege und den sich anschließenden Kalten Krieg erlebte, wird nicht vergessen. Sicherlich sind auch diese Erlebnisse und Erfahrungen stark in sein Oeuvre eingeflossen. Es tut dem Beitrag aber gut, dass gerade diese Aspekte zwar angesprochen, nicht jedoch zu großes Gewicht im Essay Fischlers erhalten haben. Wenngleich kurz – vielleicht am Ende auch zu knapp geraten – vermag es die Kunsthistorikerin wichtige Stationen des Künstlers prägnant zu beleuchten und sie in Zusammenhang mit der Epoche und Wissenschaft zu setzen. Dies erfolgt freilich besonders aus kunsthistorischer Sichtweise. Aufgrund der Thematik des Bandes wäre es allerdings sehr wünschenswert gewesen auch einen Paläontologen für einen entsprechenden Essay zu gewinnen, der es vermocht hätte, eingehender über die Bedeutung bzw. die aus heutiger Sicht nötigen Revisionen der Arbeiten Burians zu berichten.
Die Besprechungen der ausgewählten bekanntesten Gemälde und Zeichnungen des Z. Burian sind kapitelartig unterteilt, denen jeweils entsprechend passende Kommentare und Zitate aus den Werken Augustas vorangestellt worden sind. Wenn man möchte, so könnte man vielleicht die folgende Gliederung über Thematik und Bilder postulieren: Landschaftsdarstellungen – Sumpflandschaften und frühe Amphibien – frühe Dinosaurier – Wasserwelten – Eroberung der Lüfte und schlussendlich eine Darstellung des Wollmammuts. Bei dieser Auswahl ist versucht worden auch eine chronologische Reihenfolge einzuhalten und somit eine künstlerisch-interpretative Geschichte der Entstehung des Lebens auf der Erde von den frühen Landschaften bis zum Mammut der letzten Eiszeit zu präsentieren. Dabei wurden die bekanntesten Werke aus dem Oeuvre des Künstlers ausgewählt und teils frühere Federzeichnungen Burians vergleichend beigestellt, die die Entwicklung im Oeuvre Burians eindrücklich aufzeigen und nachvollziehbar machen. Das gewählte Format die teils großformatigen Gemälde auch im Buch gut zur Geltung kommen zu lassen. Papier als auch Druck sind hervorragend abgestimmt, so dass der Liebhaber ebenso wie der Laie seine Freude haben wird die bekannten und unbekannten Bilder (neu) zu entdecken. Besonders gelungen kann der Einband selbst genannt werden, den eines der wohl bekanntesten Dinosaurierbilder Burians ziert, der Iguanodon. Etwas unglücklich ist die Entscheidung einige der großformatigeren Bilder auch über die Doppelseite zu ziehen, wobei freilich die Bindung den Betrachtungsgenuss schwer schmälert. Hier hätte man sich dann doch für eine Verkleinerung entscheiden sollen.
Wer Interesse an der Paläontologie und Biologie hat, für den ist dieses Buch ein absolutes Must-have. Das abrupte Ende der Gemäldezusammenstellung mit dem Mammut macht zudem Hoffnung auf einen weiteren Band, der sich vielleicht mit dem Oeuvre Burians die menschliche Prähistorie zum Thema macht und weitere spannende Einblicke in das Werk des sehr unterschätzten Künstlers und Wissenschaftsinterpreten erwarten lässt.

28.03.2014
Robert Kuhn
Die verlorenen Welten des Zdeněk Burian. Burian, Zdeněk. Naturkunden 8. Hrsg.: Schalansky, Judith. 239 S., 33 x 22 cm, Gb. Matthes & Seitz, Berlin 2013. EUR 68,00 CHF 86,60
ISBN 978-3-88221-081-1
 
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