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Führer und Duce – Politische Machtinszenierungen

In dem ambitionierten Forschungsvorhaben die visuellen Strategien bei der politischen Machtinszenierungen des italienischen Faschismus und des Nationalsozialismus in Deutschland anhand einer vergleichenden Studie zu erörtern, die erstmals den Bestand an populären Zeitschriften in den Focus stellt, betritt die Autorin Neuland. Nitz hat dabei nicht nur eine beträchtliche Masse an Quellenmaterial bearbeitet sondern auch einiges an Sekundärliteratur bewältigt.
Ihre Kernthesen hatte die Autorin bereits 2010 in ihrem Aufsatz “Die symbolische Repräsentation der faschistischen Diktaturen in Fotografien” dargelegt, der den Leser bereits auf das Erscheinen der schon länger angekündigte Publikation neugierig machte. Was in der Kürze des Aufsatzes an Thesen und Material prägnant gegliedert und thematisch schlüssig präsentiert wurde, versandet bedauerlicherweise auf den über 400 Seiten der Dissertationsschrift völlig.
Vorallem der erste Teil des Buches verlangt dem Leser etliches an Geduld ab. Man müht sich durch eine trockene und überlange Einleitung, die weder präzise ins Thema einführt noch die Fragestellung klar darlegt. Vieles wird angerissen, zu wenig vertieft. Gerade am Anfang wäre es für den Leser hilfreich gewesen, eine knappe Einführung in die Charakteristika und Unterschiede der beiden Diktaturen zu erhalten. Zudem hätte es besonders im Bezug auf die visuellen Strategien, sei es bei der Inszenierung von “Duce” und “Führer” als auch bei der propagandistischen Überhöhung der Errungenschaften der beiden Dikaturen im Bild, viele Ergebnisse auch aus der kunsthistorischen Forschung gegeben, die man für diese explizit als “interdisziplinär” bezeichnete Studie hätte heranziehen können. Stattdessen werden NS und Faschismus zu allgemein über einen Kamm geschoren, so daß sich kein differenziertes Bild der historischen Umstände ergibt und somit auch die These der Autorin zu unscharf verortet wird.
Das Hauptproblem des Buches ist jedoch schlicht ein methodisches: Historiker entdecken das Bild als Quelle und das geht in diesem Fall gründlich schief. Der Versuch, die enorme Materialmenge mit Hilfe von Balkengraphiken zu ordnen und zu bewerten kann jedoch nicht überzeugen. Denn was sagt eine derartige Statistik über die politischen Strategie im Bild aus? Was waren die Motivationen, welche Bildtopoi werden benutzt, verändert und dienstbar gemacht? Was erfahren wir konkret an Neuem, wenn wir nun dank der Balkengraphik wissen, in welchem Jahr der “Führer” wie oft von vorn oder von hinten dargestellt wurde? Kurz gesagt: nichts! Es wäre in jedem Fall besser gewesen zunächst die Grundcharakteristika herauszuarbeiten und dann anhand von wenigen prägnaten Beispielen eine assagekräftige Analyse durchzuführen.
Auch kommt die gesamte italienische Forschungsliteratur zu kurz (del Bocca und Gentile fehlen völlig) . Am Beispiel von Hitlers Staatsbesuch wird nur ein einziger englischsprachiger Aufsatz zitiert, obwohl es mehrere Publikationen aus den letzten Jahren dazu gibt. Weder tauchen kunsthistorische Forschungsarbeiten (Ralph-Miklas Dobler) zum Staatsbesuch auf noch wichtige Quellen, wie Ranuccio Banchi Bandinellis “Diario di un Borghese” von 1948. Auch Phrasen wie “Die italienische Faschismusforschung ist sich einig…” helfen wenig, wenn dann keine Forschungsliteratur genannt wird, sondern nur widersprüchliche Aussagen aneinandergereiht werden (S. 277, S. 282ff.).
Auch hätte man der Redundanz des Textes durch Mut zur Synthese abhelfen können, ein Versäumnis, das jedoch nicht in erster Linie der Autorin vorzuwerfen ist, sondern dem Lektorat, das hier offenbar überhaupt nicht strukturierend eingegriffen hat. So bleibt man als Leser enttäuscht zurück über ein Buch, das in einzelnen Aspekten zum Thema viele Informationen bietet, jedoch als Ganzes nicht zu überzeugen vermag.

28.03.2014
Elmar Kossel
Führer und Duce. Politische Machtinszenierungen im nationalsozialistischen Deutschland und im faschistischen Italien. Nitz, Wenke. 416 S. 150 s/w-Abb. 23 x 16 cm. Böhlau Verlag, Köln 2013. Gb. EUR 49,90. CHF 66,90
ISBN 978-3-412-21018-2
 
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