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Eklektizismus und eklektische Verfahren in der Kunst

"Wenn ihr die schonen Gestalten nachbilden wollt, fügt ihr, da es nicht leicht ist, einen Menschen zu finden, an dem alles untadelig ist, von vielen das zusammen, was an jedem das Schönste ist, und erreicht so, dass die Körper vollkommen erscheinen?" hatte Sokrates den griechischen Maler Parrhasios gefragt und der hatte geantwortet: "Ja, so machen wir es." Xenophon berichtet in seinen ‚Memorabilien' von diesem Gespräch und liefert damit wohl die früheste Beschreibung des Eklektizismus, der in der Kunstgeschichte in der Folgezeit umstritten ist.
Während Johann Joachim Winckelmann das eklektische Gestaltungsverfahren "als Bestrebung..., die künstlerischen Errungenschaften verschiedener Schulen zu vereinen", beschrieb, wurde der Eklektizismus immer wieder "gerade dafür kritisiert, dass die zusammengestellten Teile nicht als Ganzes, sondern als Ansammlung eigenständiger Einzelteile ohne erkennbaren Mehrwert wahrgenommen werden". In der Kunstkritik ist der Begriff "zumeist negativ konnotiert" oder findet eine "polemisch-abwertende" oder für Epigonentum stehende Verwendung.
Doch der Eklektizismus gehört zur Kunstgeschichte dazu. Die Frage nach seiner kunsthistorischen Bedeutung ist jedoch noch nicht geklärt, es gibt nicht einmal "ansatzweise eine Definition". Deshalb und weil sie "keine hinreichend nützliche Basisliteratur zum Thema" fanden, hatten die Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes im Marz 2009 zu einem dreitägigen Symposium an die Universität Bonn eingeladen, urn mit internationalen Fachleuten und einem interessierten, diskussionsbereiten Publikum über "Facetten und Probleme des Eklektizismus" zu diskutieren, "Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Kontinuitäten, Brüche und Grenzgebiete" herauszuarbeiten mit dem Ziel, "den aus denkmalpflegerischer und architekturhistorischer Sicht stigmatisierten Begriff wieder im Gesamtfeld der Kunstentwicklung zu positionieren". Seine Verwendung in der Architekturdiskussion wird dabei ebenfalls erörtert.
Der vorliegende Band enthält die 16 Beiträge der Referentinnen und Referenten, die die verschiedensten Aspekte des Eklektizismus Epochen überspannend herausarbeiten. Es geht um Fragen nach der Intention des Künstlers, um die Auswahl, die er für sein eigenes Werk trifft und um die Eignung des Vorbildes für das individuelle Vorhaben des Künstlers, Die Autoren untersuchen die eklektischen Gestaltungsverfahren von der Neuzeit bis zur Postmoderne, vom eklektizistischen Ansatz in der deutschen Barockarchitektur, Über seine Bedeutung für die französische Designpraxis des 18. Jhds., über die Rückbesinnung der heute nahezu unbekannten Brüder Friedrich und Johann Christian Riepenhausen auf Raffael in der 1. Hälfte des 19. Jhs., über ein Frühwerk Ton Edgar Degas, über die Dadaisten und Max Ernst bis zur 1976-78 nach den Plänen von Charles Williard Moore entstandenen Piazza d'ltalia in New Orleans.
Mit dieser Aufsatzsammlung dürfte das Vorhaben der Herausgeber gelingen, "die seit Anbeginn des Faches gepflegte Forschungslücke zu problematisieren", einen Wandel der Wahrnehmung des Phänomens Eklektizismus anzuregen und "die notwendige Argumentation zu seiner neuen Betrachtung" zu liefern.
Mit seinen vielfältigen, facettenreichen Informationen für die weiterführende Forschung ist das mit umfangreichen Anmerkungen, mit Literaturverzeichnis und Abbildungsnachweis nach jeden Aufsatz versehene Werk Grundlage für eine Neubewertung des Eklektizismus in der bildenden Kunst und mit seinen neuen, hochinteressanten, z.T. auch herausfordernden Meinungen und Erkenntnissen, wie z.B. die neue Sicht auf die Epoche des Historismus, ist es nicht nur ein Gewinn für die Fachwelt, sondern dürfte den interessierten Laien ebenso fesseln.

28.07.2013
Christa Chatrath
Eklektizismus und eklektische Verfahren in der Kunst. Hrsg.: Petri, Grischka; Lehmann, Doris H.. (Studien zur Kunstgeschichte. Bd 195) 392 S. 136 Abb. davon 59 in Farbe. 24 x 17 cm. Gb. Georg Olms Verlag. Heidelberg 2012. EUR 69,00.
ISBN 978-3-487-14788-8   [Olms]
 
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