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Joan Hernández Pijuan - Farben der Erde

Die erodierten, kahlen Lehmhügel der Crete Senesi südlich von Siena in und mit ihren Nuancen von Braun-, Ocker- und leichten Rottönungen hat er nicht gekannt. Und doch scheint er sie ein Jahr vor seinem Tod, 2004, gemalt zu haben, in Folques nahe Barcelona in seiner der Crete („die Lehme“) so ähnlichen Landschaft: „Camp Siena“ und „Serie Siena“ heißen diese Bilder. Sie zeigen ein rotbraunes, rechteckiges Feld in einem unregelmäßigen rotbraunen Bildrahmen sowie wenige rotbraune, in einem Rechteck querlaufende, leicht gefurcht-bewegte breite Streifen, energisch im Bild begrenzt. Es sind Bilder im Bild, ist ausgeschnittener Raum, die künstlerisch-archaische Reduktion von nur in eine Farbe gefaßte Impression der Landschaft. Eine Reduktion, die in einer seiner letzten Arbeiten eindrucksvoll kulminiert: einem kleinen schwarzen mit einem darauf gesetzten, an beiden Enden abgeschrägten kleineren Rechteck, beide über einer kurzen, beidendig abbrechenden langsam an- und absteigenden Konturenlinie. „Sense titol“ heißt es und ist doch sofort als Bauernhaus auf einem Hügel zu erkennen.

Etwas verkürzt betrachtet und doch ihr Hauptcharakteristikum benennend, zeigen Ausstellung und im Katalog abgebildete Werke die nach 1970 beginnende permanente Reduktion des Gegenständlichen in den Arbeiten Pijuans. Es ist eine doppelte Reduktion, bleiben seine wenigen Themen doch über viele Jahre gleich: Landschaft/Erde, wenige Pflanzen wie die Iris, Bäume, Häuser. Und vielleicht lässt ein solch retrospektiver Werkspaziergang auch die persönlichen Konturen dieses malerisch-zeichnerischen Einzelgängers deutlicher werden: er war, anders als sein Fast-Zeitgenosse Tapies, kaum vernetzt, fühlte sich keiner Kunstrichtung verpflichtet, mochte keine repräsentieren, verweigerte sich dem jeweils künstlerisch Aktuell-Gängigen. Auch deshalb findet er sich, zwar geschätzt aber nicht populär, in der zweiten Reihe: sie springen uns mit ihren Werken nicht an, Individualisten wie Pijuan, man muss sich auf ihr Werk einlassen (können) um es und sie zu verstehen, sie revolutionieren unsere künstlerische Sicht auf die Welt nicht, aber sie ergänzen sie durch ihre schmalere, gleichwohl eindrucksvoll-individuelle Ausdrucksweise.

In deren Zentrum liegen, wir lasen es, für Pijuan Landschaft und Erde Kataloniens; alle seine Bilder tragen (im Katalog leider nicht übersetzte) katalanische, keine spanischen Titel. Er scheint sich diese Landschaft, ihre ockergelbe und braun-rote Erde, so zeichnerisch-malerisch einverleibt zu haben wie ein Fotograf die von ihm gewählten Bild-Ausschnitte - und eigene Fotografien waren häufig Vorlage für seine Arbeiten. Sie wirken nie statisch oder starr, sind im Gegenteil und genau betrachtet oft Eingrenzungen von Bewegungen im Raum wie sie etwa Feldwege und Erdfurchen in die Landschaft zeichnen: „Der Raum ist das Bild“ (Pijuan).

Was gäbe es noch zu sagen, was nicht Wiederholung wäre ? Eine sehr sehenswerte Ausstellung, ein ausgezeichneter Katalog mit einem Werk-Textbeitrag, in dem man sich ein wenig mehr Informationen über Pijuans frühen Werdegang wünschte. Er hat von 1945 bis1947 und damit genau fünfzig Jahre nach und genauso lange wie Picasso jene Kunstschule La Lotja in Barcelona besucht, an der auch Miro von 1907 bis 1910 unterrichtet wurde. Hier fällt der Blick auf ein – von Katalonien geprägtes ? – Feuerwerk individueller zeichnerisch-malerischer Reduktionen im jeweiligen künstlerischen Werk, das im Kontext zu sehen man als Wunsch aus dieser Ausstellung mit hinausträgt. .

2. 12. 2011
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Joan Hernández Pijuan. Farben der Erde. Hrsg.: Firmenich, Andrea; Beitr.: Mennekes, Friedhelm. 232 S. zahlr. fb. Abb. Wienand Verlag, Köln 2011. EUR 36,00. CHF 48,90
ISBN 978-3-86832-066-4
 
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