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Goethe-Handbuch zur Kunst

Sieh’, das Gute ist so nah – nur leider: es ist auch so teuer. 130 Euro für ein Goethe-Handbuch, das in keinem Haushalt fehlen darf…viele Menschen werden mit der Anschaffung warten müssen, bis Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Und das muss traurig stimmen. Denn die Herausgeber Andreas Beyer und Ernst Osterkamp, der Kunsthistoriker und der Germanist, haben eine illustre Expertenrunde als Autoren gewonnen, um Goethes Wirken und Mühen um und für die Kunst in die Form eines Handbuchs zu pressen. Die Texte haben, so will es das Format, einführenden Charakter im lexikalisch knappen Duktus, die Literaturauswahl ist präzise und üppig, das Register umfassend und als Konkordanz für die Themen des Bandes benutzbar. Leider nicht ganz! Wie so oft bei Handbüchern jüngeren Datums fehlt ein ausführliches Sachregister, was die Suche nach Einzelaspekten erschwert, um nicht zu sagen unmöglich macht. Denn die beiden Teile des Handbuchs bestehen 1. aus Kapiteln, die sich in gelehrigen Einzelstudien Goethes Schriften zur Kunst widmen und 2. aus biografischen Portraits von Menschen, die das künstlerische Umfeld und Denken Goethes bestimmten. Wer nun schauen will, was Goethe etwa zum Thema „Physiognomie“ im Kontext der bildenden Kunst zu sagen hat – der muss halt suchen. Ärgerlich!
Die Texte selbst gehorchen höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen und sind kaum weniger als die umfangreiche Einführung in einen Kosmos. Den beiden lexikalischen Teilen vorangestellt ist eine Abteilung mit zehn großen Essays. Beim Lesen bekommt man den Eindruck, hier bleibt kein Aspekt unbeleuchtet (um die Euphorie gleich abzumildern: der Rezensent ist kein Goetheexperte und vermag daher auch nicht in den Krümeln zu suchen). Ernst Osterkamps eigener Beitrag über „Goethes Beschäftigung mit der bildenden Kunst“ entfaltet das breite Panorama der Themen und gibt in großen Zügen, die der Biografie des Olympiers folgen, den Rahmen für das gesamte Handbuch vor. Die nachfolgenden Kapitel stellen Goethe als Zeichner, als Sammler, als Porträtierten und als Kunsthistoriker vor. Sie beleuchten sein Verhältnis zu Paris, erläutern das naturwissenschaftliche in seiner Kunstauffassung, erörtern die Künstlergestalten seines dichterischen Werkes und zeigen ihn auch als Kunstpolitiker. Ein Aufsatz über die Goetherezeption der zeitgenössischen Kunst schließt den Essayteil ab.
Goethe und Italien, dieses Kapitel fehlt im Essayteil, es bestimmt jedoch, wie kaum anders zu erwarten, recht eigentlich das gesamte Buch. Die Übersetzung der Autobiografie Benvenuto Cellinis, die Italienische Reise, die Schriften zu Winckelmann werden mit eigenen Studien im zweiten Teil des Handbuchs bedacht. Nahezu sämtliche Künstler der italienischen Renaissance, auf die Goethe rekurrierte, haben Eingang in die Porträts des dritten Teils des Handbuchs gefunden. Hier allerdings fragt man sich, wozu Artikel über Mantegna, Palladio, Raffael und andere durch biografische Details unnötig gelängt werden müssen, die man auch anderswo nachlesen kann, ehe es um Goethes Verhältnis zu ihnen geht, dem eigentlich zentralen Gegenstand des Bandes. Und im Zusammenhang mit Goethes bereits im Frankfurter Elternhaus kultivierter Liebe zu Italien fragt sich erneut: warum kein Sach- und Ortsregister?! Mailand, Tivoli, Florenz, Rom, Pompeji, wie gern würde man schnellen Zugriff auf solche Orte haben, um Goethes Verhältnis zu ihnen zu erkunden.
Zum Abschluss nochmals Lob. Die Abbildungen sind sämtlich Schwarzweiß, doch in ihren Graustufen gut nuanciert gedruckt. Die Bindung ist stabil dank Fadenheftung, zumal bei Bibliotheksexemplaren mit regem Gebrauch gerechnet werden sollte (trotz, ich wiederhole, fehlendem Sachregister). Vielleicht hätte man sich das weinrote Leinen, das dem Band eine distinguierte Note verleiht, in Anbetracht des Ladenpreises schenken und umgekehrt den Schutzumschlag ein wenig grafisch ambitionierter gestalten können. 2011 erscheint noch das Goethe-Handbuch-Supplement 2 zu den Naturwissenschaften (für Freunde der Urpflanze und andere). Hoffen wir, dass man das naheliegende Gute des hier angezeigten Bandes gleich aufnimmt, es beherzt weitertreibt und am Ende gar (unter anderem, wie gesagt, durch ein Sachregister) noch verbessert.

30. 09. 2011
Christian Welzbacher
Goethe-Handbuch, Supplemente Band 3. Kunst. Hrsg.: Andreas Beyer. Ernst Osterkamp. XV 624 S., 111 Abb., 24 x 17 cm, Gb. J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2011. EUR 129,95. CHF 175,00
ISBN 978-3-476-02163-2
 
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