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Werkverzeichnisse von Künstlern im Überblick

Werkverzeichnisse oder Catalogues Raisonnés, die eine lückenlose Erfassung und Abbildung der Werke eines Künstlers bieten, sind unentbehrliche Hilfsmittel für ein Fachpublikum und Sammler von Kunstwerken und es gibt sie für alle Kunstgattungen. Was es bislang im Bereich der bildenden Künste nicht gab, war ein Verzeichnis, das einen Überblick erlaubt hätte, ob ein Werkverzeichnis zu einem Künstler bereits erstellt wurde. Diese Lücke zu schließen streben der Kunsthändler Marc Blondeau (o.A.) und der Kunstbuchhändler Thierry Meaudre (o.A.) von der Pariser Librairie Lardanchet an, die 2009 beim Verlag JRP Ringier ein englisch- und französischsprachiges Verzeichnis von Werkverzeichnissen unter dem Titel „A.C.I. Art Catalogue Index“ vorlegten. Es handelt sich bei diesem Index um ein alphabetisch, nach Künstlernamen geordnetes Verzeichnis von Werkverzeichnissen in drei Teilen. Im ersten Teil, dem umfänglichen Vorwort, geben die Autoren Hinweise zu ihrer Methode zu ihren Kriterien, welche Werkverzeichnisse in ihren Überblick aufgenommen wurden. Der zweite Teil, für den Rainer Michael Mason (o.A.) aus Genf verantwortlich zeichnet, besteht aus einem Kurzüberblick über die Geschichte von Werkverzeichnissen, die der Autor mit Giorgio Vasaris (1511-1574) „Le Vite de‘ più eccellenti pittori, scultori e architettori“ beginnen läßt. An diese Teile schließt sich der eigentliche Index an, der von einem weiteren alphabetischen Index, nun geordnet nach Verfassern bzw. Bearbeitern von Werkverzeichnissen beschlossen wird.

Das von Blondeau und Meaudre vorgelegte Verzeichnis beansprucht für den Zeitraum der künstlerischen Moderne, den die Autoren mit 1780 beginnend, ansetzen, alle erstellten bzw. sich in Erstellung befindlichen Werkverzeichnisse von Künstlern zu erfassen, die nach 1780, dem Geburtsjahr von Jean Auguste Dominique Ingres (1780-1867), geboren wurden. Geographisch grenzten die Autoren ihr Untersuchungsgebiet zwar nicht ein, es ergibt sich aber ein klarer europäisch-nordamerikanischer Schwerpunkt. Aufgenommen wurden Werkverzeichnisse, die mit dem Anspruch ein solches zu sein, auftreten. Wenn die Autoren der Auffassung waren bzw. in Kunsthistorik und Kunsthandel die Ansicht bestand, dass die behandelte Publikation nicht den Ansprüchen an ein Werkverzeichnis genügt, wurde dies im Katalog mit dem Zusatz „[Checklist]“ gekennzeichnet. Neben klassischen Werkverzeichnissen, seien sie chronologisch gattungsübergreifend oder thematisch gruppiert oder ob sie lediglich eine bestimmte Schaffensperiode behandeln, fanden auch Monographien, die das Werk eines Künstlers umfassend würdigen, Aufnahme in das vorgelegte Verzeichnis. Werkverzeichnisse von Künstlern, die ausschließlich als Graphiker arbeiteten bzw. von denen bislang lediglich ein Werkverzeichnis zu ihren graphischen Arbeiten vorliegt, wurden nicht aufgenommen. Ausgeschlossen wurden Werkverzeichnisse zu den nicht näher bezeichneten „dekorativen Künsten“ und der Architektur. Aufnahme fanden Werkverzeichnisse zu folgenden Gattungen: Malerei, Skulptur, Arbeiten auf Papier, Fotografie, Film, Video, Installation, Performance und Happening. Zur Behandlung der Künste Theater, Tanz, Musik und Sprachkunst äußerten sich die Autoren nicht, obwohl eine Reihe von Künstlern als Doppelbegabungen gelten. So wurden aus dem Bereich der Sprachkunst Federico García Lorca (1898-1936) oder Savinio (das ist Andrea de Chirico: 1891-1952) aufgenommen.

Im Falle von mehrbändigen Werkverzeichnissen, von denen bis Ende 2008, dem Redaktionsschluss, noch nicht alle Bände erschienen waren, wird in den Angaben zum Werkverzeichnis auf die noch zu erscheinenden Bände verwiesen. Geführt werden die Künstler unter ihrem in der Kunstwelt bekannten Namen. Falls dieser, ein Beispiel dazu wäre Balthus (1908-2001), von ihrem Geburtsnamen abweicht, erfolgt ein Zusatz mit Nennung des Geburtsnamens.
Die Liste der Werkverzeichnisse folgt dem Schema von Nennung des Namens des Künstlers und Lebensdaten. Sodann erfolgt die Kennzeichnung ob es sich um ein Werkverzeichnis oder einen Katalog handelt. Genannt werden in der Folge dann die Herausgeber, Bearbeiter oder Autoren des jeweiligen Werkes. An erster Stelle steht stets die Originalpublikation samt Nennung der Sprache, in der dies Werk erschien. Es folgen Angaben zu Seitenzahlen und zur Zahl der Abbildungen. Nicht getrennt aufgelistet werden die farbigen und s/w Abbildungen. Auf die Angaben zum Erscheinungsort und Verlag folgt die Nennung der ISBN. Aus Gründen der Einheitlichkeit wurden die alten 10-stelligen ISBN-Nummern alle auf die neue 13-stellige umformatiert. Falls ein Werkverzeichnis in mehr als einer Sprache erschien, folgen auf die Angaben zur Originalpublikation die der übersetzten Versionen.

Insgesamt beschränken sich die Autoren auf die notwendigsten bibliographischen Angaben. Wenn ein Werkverzeichnis neu bearbeitet wurde, wird dies durch den Zusatz „[Rev.ed.]“ kenntlich gemacht. Ganz zufrieden kann man mit dieser Lösung nicht sein. So basiert der catalogue raisonné des Kunsthistorikers John Rewald (1912-1994) zu den Gemälden von Paul Cézanne (1839-1906) aus dem Jahr 1996 auf der Vorarbeit des im Anschluss an diesen Eintrag geführten catalogue raisonné des Kunsthistorikers Lionello Venturi (1885-1961) aus dem Jahr 1936, ohne dass dies erwähnt wird. Ebenfalls fehlen Zusätze, falls erstellende und publizierende Instanz auseinanderfallen. So wurde das Werkverzeichnis der Unikate des Künstlers Karl Fred Dahmen (1917-1981) von Thomas Weber, der einer der Geschäftsführer der renommierten Galerie Boisserée (Köln) ist, erstellt. Die Bibliographie des Werkverzeichnisses wiederum erstellte Weber, wie eine Nachfrage ergab, gemeinsam mit Günter Fuchs (o.A.) und Andrea Fink (o.A.), die bei Blondeau/Meaudre ebenso nicht genannt werden wie die Galerie, sondern nur der Verlag, in dem das Werkverzeichnis erschien. Der umgekehrte Fall liegt beim Eintrag zu den Werkverzeichnissen des Schweizer Künstlers Camille Graeser (1892-1980) vor. Genannt wird, neben den Autoren, nur die herausgebende Institution, die Camille-Graeser Stiftung, nicht jedoch die Verlage Wienand in Köln und Offizin in Zürich, bei denen die Werkverzeichnisse erschienen. Auch von Belang wären bei den Angaben weitere Zusätze über die Bezugsquellen der Werkverzeichnisse, da, so bei Graeser, gesonderte Bezugsquellen für Bestellungen aus der Schweiz bestehen.

Mit der vorliegenden Publikation ist ein Anfang in der Erfassung von Werkverzeichnissen gemacht. Als „First Edition“ wird der in rotes Leder gebundene Index ausgewiesen und so läßt sich daraus schließen, dass beabsichtigt ist, dieser weitere Ausgaben folgen zu lassen. Ob Blondeau/Meaudre nun planen, auch für den Zeitraum vor 1780 Werkverzeichnisse zu erfassen, ist dem Vorwort nicht zu entnehmen. In Betracht kommt auch eine Erfassung der nach Redaktionsschluss publizierten Werkverzeichnisse. Vor einem solchen Schritt wäre es jedoch wünschenswert, wenn die Autoren nochmals einen Blick auf die vorgelegte erste Ausgabe werfen würden, da sich dort einige Lücken selbst zu Werkverzeichnissen zu Künstlern eingeschlichen haben, die relativ, wie Bruno Gironcoli (1956-2008) oder Hubert Salentin (1822-1910), bekannt sind. In jedem Fall führt eine einfache Nachforschung zu Werkverzeichnissen in der Deutschen Nationalbibliothek oder bei der Buchhandlung Walther König zu einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Werkverzeichnissen, die den Kriterien und dem behandelten Zeitraum, so erschien 2008 im Verlag Schirmer und Mosel das Gesamtwerk des Fotografen Herbert List (1903-1975), der Autoren entsprechen. Selbstredend gibt es zudem eine Reihe von Werkverzeichnissen von Künstlern mit eher regionalem Bekanntheitsgrad. Wie die Autoren diesen Aspekt betrachten wurde von ihnen bislang noch nicht geklärt.

Ungeachtet dieser nicht kleinen Lücke, begrüßenswert ist die Initiative von Blondeau und Meaudre allemal. Seinen Zweck als verlässliches Nachschlagewerk erfüllt die vorgelegte Publikation jedoch erst dann, wenn es zu Ergänzungen innerhalb der ersten Ausgabe kommt. Vielleicht sind Blondeau und Meaudre ferner dafür empfänglich, die Erfassung von Werkverzeichnissen einem Personal zu übertragen, das sich mit den nationalen Gegebenheiten gut auskennt. So gilt zumindest für Deutschland, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil von Werkverzeichnissen in Galerien erstellt und / oder teilweise auch dort vertrieben wird bzw. gelegentlich auch als Hochschulschrift erscheint. Auch eine, nicht zuletzt dem Institut der Buchpreisbindung geschuldete, deutsche Besonderheit ist es, dass recht häufig kleinere und mittlere Verlage, deren Schwerpunkt nicht unbedingt auf dem Gebiet der Kunstbücher liegt, große unternehmerische Risiken eingehen und Werkverzeichnisse publizieren. Zu nennen wäre etwa der Verlag Matthes & Seitz bei dem ein Werkverzeichnis des Multitalents Gerhard Rühm (*1930) erscheint. Am Beispiel von Rühm aber auch anderen Künstlern, die im Bereich visueller und konkreter Poesie unterwegs sind, stellt sich zudem die Frage, ob ihre Werkstücke eher zur Literatur oder bildender Kunst gezählt werden. Diese Frage ist keineswegs entschieden, denn Publikationen von Rühm und Kollegen werden im deutschen Buchhandel sowohl in der Abteilung Kunst als auch Literatur geführt.

Auch im Falle der weitgehend vergessenen Künstlerin Unica Zürn (1916-1970) stellt sich diese Zuordnungsfrage und es wäre daher wünschenswert, dass Blondeau / Meaudre dazu Angaben machen, zumal im Fall von Zürn eine hervorragende Werkausgabe vorliegt, die im Verlag Brinkmann & Bose erschien. Auch das Kriterium, dass Werkverzeichnisse von reinen Grafikern bzw. Werkverzeichnisse die ausschließlich dem graphischen Werk eines Künstlers gelten, ausgeschlossen wurden, ließe sich zur Disposition stellen, da in Bezug auf diese Gruppe von Künstlern an anderer Stelle nachgeschlagen werden müsste. Für das Fachpersonal würde es eine enorme Erleichterung darstellen, wenn in einem einzigen Verzeichnis die relevante Literatur zum Œuvre eines Künstlers griffbereit wäre. Um der leichteren Handhabung willen wäre zudem ein Wechsel in der äußeren Form, entweder als Loseblattausgabe oder / und als CD-ROM wünschenswert. Es bleibt also noch manch ein Aspekt offen und so darf das geneigte Publikum gespannt sein, wie es bei Blondeau/Meaudre weitergeht.

27.05.2011

Sigrid Gaisreiter
A.C.I., Art Catalogue Index. Catalogues Raisonnés of Artists. Hrsg. v. Blondeau, Marc /Meaudre, Thierry. Engl. Franz. 512 S. 24,6 x 11,9 cm. JPR Ringier Kunstverlag, Zürich 2009. Gb EUR 66,00
ISBN 978-3-905829-53-2
 
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