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Max Beckmann. Der Maler seiner Zeit

In mehr als einer Hinsicht bildet Max Beckmann eine Ausnahme in der Malerei des 20. Jahrhunderts und unter den Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit: Schon relativ früh fand er seine eigene künstlerische Sprache; konsequent entschied er sich für das Gegenständliche; so gut wie kein anderer seiner Kollegen verstand er sich auf seine Selbstvermarktung und wusste die richtigen Kontakte zu Verlegern und Galeristen zu knüpfen und zu halten; sein Selbstbewusstsein war so stark entwickelt, dass es schon an unsympathische Selbstüberhebung grenzte - Alfred Lichtwark, Direktor der Hamburger Kunsthalle, sagte von ihm, er sei "von Größenwahn geschwollen", musste jedoch letztendlich zugeben, dass Beckmann ein "fabelhaftes Talent" sei.

In seiner soeben erschienenen Beckmann-Biographie, einem umfangreichen und opulent bebilderten Werk, zeichnet der Kunsthistoriker Uwe M. Schneede (geb. 1939) mithilfe von Briefen, Tagebüchern und Aufzeichnungen Mathilde Beckmanns (2. Frau des Künstlers) die Lebensetappen des Künstlers nach. Schneede, der von 1991 bis 2006 Direktor der Hamburger Kunsthalle war, hat allein drei Beckmann-Ausstellungen konzipiert und darf als Spezialist für den künstlerischen Einzelgänger gelten. (Ebenfalls neu erschienen ist sein Büchlein "Die Kunst der klassischen Moderne", das - von Vincent van Gogh bis Francis Bacon - die Zeit zwischen 1880 und 1960 umreißt, eine Epoche "frappierender Vielschichtigkeit".)

Am Beginn von Beckmanns künstlerischem Weg stehen zwei großformatige zeitgenössische Historien- bzw. Katastrophenbilder, der "Untergang von Messina" (1909) und der "Untergang der Titanic" (1912): Mit weniger als dem überwältigenden Erlebnis, der menschlichen Katastrophe wollte er sich zu dieser Zeit nicht begnügen. "Außerordentliches zu erleben, um Außerordentliches malen zu können", war sein dringlicher Wunsch: So konnte für Beckmann der erste Weltkrieg, an dem er als Sanitäter teilnimmt, nur zur "Meisterklasse" werden, in der er seine Arbeits- und Lernwut zwischen sich und den traumatisierenden Krieg schiebt.

Zwischen dem 1. und dem 2. Weltkrieg lebt und arbeitet er zunächst in Frankfurt, lässt sich von seiner 1. Frau Minna scheiden, heiratet ein zweites Mal und arbeitet konsequent an seinem Erfolg. Während der zwanziger Jahre entwickelt er in der Auseinandersetzung mit den - meist wenig geschätzten - Kollegen (wie Matisse und Picasso) eine "beruhigte Form" der Malerei und seinen charakteristischen Reichtum an Motiven und Lieblingsthemen: Zirkus, Varieté und Karneval sowie Paardarstellungen bzw. die Mann-Frau-Problematik; sowohl in seinen Stadtansichten als auch in seinen Stillleben, sowohl in den mehrfigurigen Arbeiten als auch in den Porträts und Selbstbildnissen greift er dabei auf bestimmte Motive zurück: die Katze, die Fastnachtströte, die Karnevalsmaske, der Spiegel. An die Seitenflügel von Altären der Alten Meister erinnern seine Hochformate, auf denen er die Figuren - Rugbyspieler, Karnevalisten, Luftakrobaten - in abenteuerlichen Verschränkungen übereinander auftürmt. Wie Rembrandt etwa konfrontiert er sich (und den Betrachter) mit sich selbst in zahlreichen Selbstbildnissen - als Lebemann, Clown, Künstler, Ehemann. Die Farbe Schwarz gewinnt als abgrenzendes und betonendes Element und als Verweis auf das Unbekannte und Bedrohliche in seinen Bildern immer mehr Bedeutung.

Nach der Machtergreifung durch die Nazis im Januar 1933 zählten auch seine Arbeiten zur "entarteten Kunst", und Beckmann lebte zunächst in künstlerischer und gesellschaftlicher Isolation, bevor er 1937 nach Amsterdam emigrierte. Während des Exils arbeitete er fast ununterbrochen weiter, schuf gar ein Drittel seines Œuvre, darunter fünf Triptychen, und entwickelte sich entlang der klaren Programmatik, die er schon als Dreißigjähriger erarbeitete, weiter: Seine Palette ist schwärzer denn je, seine Figuren geradezu von Schatten bedrängt. Nach Kriegsende entschied er sich gegen Deutschland; er nahm stattdessen Lehraufträge in den USA, zuletzt in New York, an, wo er 1950 an einem Herzleiden starb.

Schneedes erzählerischer, eingängiger Text über den monolithischen Beckmann wird von einer Fülle von Abbildungen begleitet, von denen eine Reihe sogar Detailvergrößerungen sind, die die Arbeitsweise des Malers verdeutlichen. Ein eigener "Lebensdaten"-Abschnitt mit Fotos des Künstlers, seiner Ateliers und seiner zweiten Frau ergänzen den lesens- und sehenswerten Band.

Außerdem von Uwe M. Schneede jüngst erschienen: 'Die Kunst der klassischen Moderne, München 2009 (C. H. Beck Wissen), 126 S., 46 Abb., davon 18 fb. Br. EUR 7,90. ISBN 978-3-406-59110-5
29.9.2009

Daniela Maria Ziegler
Schneede, Uwe M.: Max Beckmann. Der Maler seiner Zeit. 304 S., 150 meist fb. Abb. 31 x 24 cm. Beck, C H, München 2009. Gb EUR 58,00
ISBN 978-3-406-55516-9   [C. H. Beck]
 
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