KunstbuchAnzeiger - Kunst, Architektur, Fotografie, Design Anzeige Verlag Langewiesche Königstein | Blaue Bücher
[Home] [Kinderbücher] [Rezensionen] [Druckansicht]
Themen
Recherche
Service

[zurck]

Mit Zeitgeistern unterwegs im Aachener Dom

Geister und Zauberer haben Hochkonjunktur im Kinderbuch. Agnes Wirtz läßt in ihrem Kinderbuch über den Aachener Dom gleich mehrere Zeitgeister auftreten, die die Schar ihrer kindlichen Leser durch die Epochen des Mittelalters von 800 bis um 1300 geleiten und dabei manches Abenteuer bereithalten. Doch nicht genug der Geister, etwas Pädagogik muß sein. Am Ende eines jeden Kapitels lauern nach Multiple Choice Art einige Fragen, die, richtig beantwortet, einen Schatz heben sollen.
Nachdem Anna und Paul sich im Dom haben einschließen lassen, geht die Zeitreise los, die – man hat es geahnt – mit dem Auftritt eines Flaschengeists beginnt, der aber aus seiner Flasche erst noch zu entweichen hat. Nachdem Anna irrigerweise von ihrem Freund Paul – natürlich Paul! – erwartet, dass er einen Korkenzieher mit sich trägt, beginnt schon mal der erste gar zu künstlich herbeigezauberte Trouble der mitternächtlichen Entdeckungsreise. Etwas unlogisch versucht die Autorin vor den geistigen Augen ihrer kleinen Leser einen Flaschenkorken allein mit Hilfe eines Drahtes ziehen zu wollen. Aber wie gut, dass der Geist macht, was er will. Und so befreit er sich aus der Flasche mit einem gewaltigen Knall und einer üppigen Rauchwolke.
Schon dieses Ereignis hätte eigentlich die Feuerwehr auf den Plan rufen müssen, aber mit viel Ach's und Oh's wird der Knall überhört und der Rauch überstanden und der Zeitgeist 800 beginnt sein Werk. Klug und gnädig und leider mit häufig etwas albernen Redewendungen führt er Anna und Paul mal zu Fuß, mal fliegend durch den ehrwürdigen Raum. Erzählt der Zeitgeist 800 von Karl dem Großen und seinen segensreichen Erfindungen wie der der Schule, von seiner Schreibwerkstatt, seinem Thron und seinen Idealen, führt sein jüngerer Kollege, der "Zeitgeist 1000", den Kindern die Ottonen vor, nachdem sich der Zeitgeist 800 wieder in seine Flasche zurückgezogen hatte. Das tat er allerdings nicht, ohne den beiden Kindern noch zwei Buchstaben eines Rätsels zu hinterlassen.
Der Zeitgeist 1000 beschreibt mit viel Jubel und gelehrigem Wissen die Krönungszeremonie Ottos I. mit allem was dazu gehört, bis auch er seinem Nachfolger aus einer weiteren Flasche Platz macht, die sich allerdings durch leichtes Schütteln und unter dem Gemurmel der Beschwörungsformel "Zeitgeist bleibt Zeitgeist, Geistzeit bleibt Geistzeit" leichter öffnen läßt als die erste. Und so geht es noch zeitgeistig drei Kapitel weiter bis am Ende, während die Kinder schlafen, die restlichen Zeitgeister noch einen Streit darüber vom Zaun brechen, warum sie nicht gehört worden seien, um ihrerseits zu erzählen, wie es in der Neuzeit weitergegangen ist. Und ausgerechnet der "Zeitgeist 1900", der nur über eine grausame Epoche hätte berichten dürfen, sorgt in diesem Zeitgeister-Streit für Frieden. Und so zaubert die Geister-Belegschaft des Aachener Domes in die Gedanken der schlafenden Kinder, dass sie sich zeitlebens an die gehörten Geschichten erinnern werden. Eins, zwei, drei - ist der Spuk vorbei. Zum Schluß gibt es noch die Auflösung des Rätsels, und auch der Schatz wird gehoben, der Schatz der Erinnerung. Ob diese pädagogischen Maßnahmen allerdings von 8-jährigen Kindern ohne Hilfe verstanden werden, wage ich zu bezweifeln.
Schön ist, dass die Autorin, auch wenn ihre Zeitgeister häufig etwas albern daherreden, nicht nur die bedeutsamen Ereignisse, Räume und die dazugehörigen Gegenstände den Kindern ausführlich und kindgerecht erklärt, sondern auch die Frömmigkeitsgeschichte der jeweiligen Zeit in diesem hübschen Kinderbuch erläutert, wenngleich das eine oder andere Nebengleis der weniger rühmlichen Machtausübung mittelalterlicher Herrscher für Anna und Paul ausgeblendet bleibt. Hier macht die Erinnerung kleinere Pausen.
Dennoch, ein hübsches Buch mit vielen, zuweilen witzigen Illustrationen und Fotografien der wichtigsten Ausstattungsstücke. Ein Grundriss, in dem man hätte virtuell spazieren gehen können, fehlt leider.
Für Kinder ab 8 Jahren ist das Buch sicher geeignet, doch könnte die elterliche Begleitung bei der Fülle des Stoffes für diese kleinen Leser hilfreich und nützlich sein.
Gabriele Klempert
Wirtz, Ágnes: Das Kinder Dombuch. Mit Zeitgeistern unterwegs im Aachener Dom. 120 S. 30 fb. Abb., 20 fb. Zeichn. 24 cm. Gb Monumente Verlag, Bonn 2003. EUR 18,50
ISBN 3-936942-42-0   [Monumente Verlag]
 
© 2003 Verlag Langewiesche [Impressum] [Nutzungsbedingungen]