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Her mit dem schönen Leben! Ein Fotoband des Kabarettisten Dieter Nuhr

Dieter Nuhr, mit dem Deutschen Kleinkunstpreis geadelter Ratinger Kabarettist und Comedian, ist ein Mann, der in seinen Auftritten gerne seine Reisen verwurstet. Eine Kostprobe? „An Körpergeräuschen, die bei uns als unfein gelten, stört man sich in Japan hingegen weit weniger: ein gediegenes Rotzen, ein feines Rülpsen, alles prima ... Wer aber in Osaka auf der Straße sichtbar Nahrung zu sich nimmt, gilt als Stoffel. Wie sagt der Kölner so schön: Jeder Jeck is anners. Da hat er global gesehen Recht.“

Wer über so etwas schmunzeln kann, den dürfte ein Fotobuch interessieren, das jetzt im Rowohlt Verlag erschienen ist. „Nuhr unterwegs“ vereint Fotografien des 1960 geborenen Kabarettisten und ZDF-Humorbeauftragten – der in Essen einst Kunst und Geschichte studiert hat – mit Zitaten und kurzen Texten. Ein Büchlein, das Nuhr als Reisefotograf zeigt, dessen Werk zwar nicht ganz ungesehen (man kennt solche karstigen Alpenlandschaften, das Durcheinander asiatischer Märkte, die Tristesse mitteleuropäischer Vororte, die Verkommenheit südamerikanischer Straßendörfer), doch im Kontrast mit seinen Texten ungewöhnlich ist.

Die Fotografien aus China und Chile, aus Birma und Bayern werden Texten gegenübergestellt, die Irrsinn und Faszination dieses Planeten humorvoll kommentieren. Im Vorwort schreibt Nuhr: „Der Mensch verlebt auf dieser Erde im Normalfall 80 bis 120 Jahre, wobei die Zahl 120 schon miteinbezieht, dass es in nicht allzu ferner Zukunft für alles Ersatzteile geben wird, insbesondere für Magen, Leber, Hirn und erschlafftes Gewebe. Es stellt sich daher die Frage, was er in dieser Zeit tun soll, um das Leben möglichst sinnvoll rumzubringen.“ Seine Antwort: „Nirgendwo spürt man die Existenz der Welt so direkt und eindringlich wie beim Reisen.“

Nuhr versteht seine Arbeiten keineswegs als dokumentarische Bilder. Denn jene, so Nuhr, gibt es genug, „... und man kann sie jederzeit sehen, im Internet beispielsweise, wo inzwischen jeder sein Geknipstes hinterlässt, der vier Wochen zur Kur nach Bad Salzdetten fährt, wegen dieses unangenehmen Hautausschlages, dessen enorme Widerlichkeit dann zum Download bereit steht.“

So beißend wie Nuhrs Humor, so schlicht und still ist seine Farbfotografie. Sie ist gemacht aus Linien, die sich zu einem Bild verdichten. Der Strand mit der Ziegelmauer etwa, auf der „Her mit dem schönen Leben!“ steht. Gestapelte Teppiche im Iran, über die Nuhr schreibt: „Man kann im Iran mehrere Wochen verbringen, ohne gesteinigt zu werden, und man wird dabei auf liebenswerte Menschen stoßen, vor allem aber auf Teppiche.“ Ein Kiosk in Ägypten, eine Küstenlinie in Namibia: In Nuhrs Bildern ist stets ein melancholischer Ton. Wenn die Fotografie, wie Nuhr richtig bemerkt, vom Verschwinden der Dinge erzählt, dann tut sie es hier auf sehr poetische Weise.
14.3.2008
Marc Peschke
Nuhr, Dieter: Nuhr unterwegs. 128 S., zahlr. fb. Fotos 20 x 19 cm. (rororo sachb. 62358) Rowohlt Taschenbuch, Reinbeck 2008. Pb EUR 12,95
ISBN 978-3-499-62358-5
 
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