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Formen des Lebens - Pflanzenfotografien

Hinzuweisen ist auf zwei Titel, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit Form und Bild der Pflanze befassen. Die „Formen des Lebens“, rund 120 Pflanzenfotografien des Mediziners und Fotografen Paul Wolff (1887-1951) erschienen im Jahre 1931 in der Reihe der Blauen Bücher im Verlag Karl Robert Langewiesche und verkauften sich bis 1957 rund 65.000 Mal. Im Rückblick scheint, dass die „Formen des Lebens“ dem wachsenden öffentlichen Interesse an den Möglichkeiten einer fotografischen Erkundung des Lebendigen Ende der Weimarer Republik reichlich Nahrung gaben.
In Auseinandersetzung mit Karl Bloßfeldts richtungweisendem Werk „Urformen der Kunst“ von 1928 sowie dem nicht minder bedeutsamen Werk von Albert Renger-Patzsch (1897-1966) aus demselben Jahr mit dem Titel „Die Welt ist schön“ und Ernst Fuhrmann 1930 „Die Pflanze als Lebewesen“ entstanden, suchte Paul Wolffs ehrgeiziges Projekt die Arbeiten jener Fotografen technisch noch zu übertreffen und wollte darüber hinaus finanziell erfolgreich sein. Letzteres zumindest gelang, denn die „Formen des Lebens“ wurden ein Verkaufserfolg. Nicht zuletzt spiegelt sich der Werdegang dieses Werkes auch in zahlreichen Presseberichten der Zeit, die in Auszügen im vorliegenden Neudruck – neben umfangreichen Materialien zur Verlagsgeschichte sowie einer informativen Einführung von Rainer Stamm zur Entstehungsgeschichte und kulturhistorischen Bedeutung der Arbeit – abgedruckt sind.
Paul Wolff – und das lässt aufhorchen – verstand die „Formen des Lebendigen“ nur als „Hilfsmittel zur Erkenntnis des Wesens der Pflanzen“ (S. 13). Wolff zeigt sich verblüfft, dass die Pflanzen auf seine Beleuchtungsarbeit reagieren, und der Vorwortautor, der Botaniker Möbius, beschwört das „Gesetz der Schönheit, dem sich die fortbildende Kraft des Lebens unterworfen zu sein, mindestens zuzustreben scheint.“ Dass die Fotografien verschiedener Pflanzen dabei auch ästhetisch sind, scheint – in Anbetracht dieser Forderung, das Wesen der Pflanzen zu erkennen – von seinen Lesern vielleicht sogar etwas überbetont worden zu sein. Zumal die „Formen des Lebens“ nicht die einzige fotografische Annäherung an das Lebendige bleiben sollten und in einer Reihe von Werken stehen, zu der auch die zahlreichen Tierfotobände der 1920er Jahre sowie schließlich die 1962 erschienene Arbeit „Das sensible Chaos“ von Theodor Schwenk.
Wolffs „Formen des Lebens“ jedenfalls enden dort, wo, wenn man so will, das zweite Buch – Volker Harlans umfangreiche Studie über „Das Bild der Pflanze in Kunst und Wissenschaft“ – beginnt, nämlich bei der Frage, wie das Wesen der Pflanzen erkannt werden kann? Freilich liegt zwischen beiden Werken zeitlich eine Spanne von mehr als 70 Jahren.
Volker Harlans Studie „Das Bild der Pflanze“ kommt fast ausnamslos – was bezeichnend ist – ohne die „Hilfmittel“ von Paul Wolff, nämlich fotografische Pflanzenabbildungen, aus. Der Illustration dienen dem Autor in erster Linie Punkt- oder Strichzeichnungen, die das Augenmerk des Lesers recht neutral auf die Pozesse der Gestaltbildung im Pflanzenreich lenken.
Um so intensiver setzt sich der Autor in seiner gedanklich minutiösen Arbeit mit den Grundlagen des historischen Pflanzenbegriffs bei Aristoteles und Goethe (Urpflanze) auseinander, befasst sich mit der Rezeption des Goetheschen Pflanzenbegriffs etwa bei Carl Gustav Carus (1789-1869) und Rudolf Steiner (1861-1925) bis hin zu Vertretern des so genannten Goetheanismus (Thomas Göbel, Wolfgang Schad) und behandelt ausgiebig die Beschäftigung der Künstler Paul Klee und Joseph Beuys mit Pflanzen in je einem eigenen Kapitel.
Die Tatsache, dass das Buch sechs große Kapitel mit mehr (!) als 200 Unterpunkten besitzt, zeigt, dass wir es hier mit einer Spezialstudie zu tun haben, die sich dem Laien natürlich nicht in derselben Weise wie Paul Wolffs „Formen des Lebens“ erschließt. Wenn man so will, dann hat Volker Harlan mit seiner Studie gezeigt, wie weit eine vertiefte Erkenntnis des Wesens der Pflanzen vordringen kann: „Die Pflanze selbst spricht dem Betrachter mit ihrem stufenweisen Gestaltwandel die Methode zu, nach der er Pflanzen in anschauender Urteilskraft betrachten kann, um an der im Anschauen vollzogenen Gestaltgebärde qualitative Erfahrungen zu machen“ (S. 198). Dass die Lektüre von „Das Bild der Pflanze“ anstrengend ist, sollte nicht davon abhalten, das Buch öfters in die Hand zu nehmen. Es lohnt sich.
Matthias Mochner
Wolff, Paul: Formen des Lebens. Botanische Lichtbildstudien mit Vorbemerkung und Hinweisen von Martin Möbius, überarbeitet von Friedrich Markgraf. Reprint der Ausgabe 1928 und Materialien zur Entstehung. Einf. f. Stamm, Rainer. 144 S., 130 Duotone-Abb. 26 cm. Die Blauen Bücher. Br Langewiesche, Königstein 2002. EUR 19,80
ISBN 3-7845-2480-X   [Langewiesche - Königstein]
Harlan, Volker: Das Bild der Pflanze in Wissenschaft und Kunst. Aristoteles - Goethe - Paul Klee - Joseph Beuys. 236 S., 188 schw.-w. Abb., 1 Falttaf. 23 x 20 cm. Mayer, Johannes, 2004. Pb EUR 26,-
ISBN 3-932386-59-0
 
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