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Köln Schmölzt

Nicht zuletzt durch August Sander, der im Umkreis und im künstlerischen Austausch mit den "kölner progressiven" seinen epochalen Deutschenspiegel "Menschen des 20. Jahrhunderts" konzipierte, ist die rheinische Metropole Köln zu einem Vorort der modernen Fotografie geworden. Doch im Schatten des spät zu weltweiten Ehren gekommenen Meisterportraitisten und Heroen einer Fotografie der Neuen Sachlichkeit hatte sich hier in der ersten Jahrhunderthälfte eine fotografische Kultur entwickelt, die im Rückblick eine herausragende Stellung einnimmt. August Kreyenkamp portraitierte die rheinische Stadtlandschaft vom Beginn des Jahrhunderts bis in die frühen Nachkriegsjahre. Werner Mantz revolutionierte die Architekturfotografie in den 20er Jahren und arbeitete bis zu seiner Emigration in die Niederlande in Köln; seine kühnen, raffinierten Kompositionen aus Licht und Architektur des Neuen Bauens sind heute gesuchte Raritäten. Und Hugo Erfurth übersiedelte 1934 nach Köln.
Zu herausragenden Gestalten einer rheinischen Fotografiegeschichte gehört auch Hugo Schmölz (1879-1938), der sich bereits seit 1911 auf die Architekturfotografie spezialisiert hatte. Zu seinen Auftraggebern zählten die reformorientierten Architekten Wilhelm Riphahn, Bruno Paul und Dominikus Böhm. Für sie lichtete er Neubauten ab und fotografierte Kölner Ansichten mit brillanter Präzision. Nach seinem Tod führte der Sohn Karl Hugo Schmölz (1917-1986) das Werk des Vaters fort; in einer Neuerscheinung, die die dreibändige Werkedition von Vater und Sohn abschließt, sind nun auch dessen Großbild-Aufnahmen aus den fünfziger bis achtziger Jahren zu entdecken. Schmölz junior bewahrt die bestechende handwerkliche Präzision des neusachlichen Blicks und wendet sie auf die neue Moderne der jungen Bundesrepublik an. Als visueller Chronist seiner Zeit fotografiert er die Neubauten von Stadt und Wirtschaft, die berühmten Nierentischformen der fünfziger Jahre in Interieurs und Architekturdetails, die Tempel des neuen Glücks: Kinos, Geschäfte, Tankstellen.
Während Hermann Claasen das Bildgedächtnis des zerstörten Köln überlieferte und Chargesheimer mit skeptischem Charme die Menschen seiner Stadt beobachtete, zeigt Schmölz in den ausgewählten Beispielen die Dokumente des Wiederaufbaus und der neuerlangten Prosperität. Die deutlichen Zeichen eines heroischen Aufschwungs lassen die Trümmer hinter sich, und Schmölz jr. setzt sie meisterhaft in Szene. In der Tradition des Neuen Sehens führt er die Marksteine vor, die inzwischen zum Fundus einer Archäologie der Bonner Republik gehören dürften.
"Über keine andere Stadt Deutschlands gibt es so viele Bücher wie über Köln", musste Michael Wienand jüngst feststellen. Die "Köln-Ansichten" von Karl Hugo Schmölz jedoch ergänzen nicht nur die Colonensia-Abteilung regionaler Buchhandlungen, sondern bilden einen faszinierenden Anlass, die Fotografie der Nachkriegszeit mit neuen Augen zu sehen.
Rainer Stamm
Köln-Ansichten. Fotografien von Karl Hugo Schmölz, 1947-1985. Hrsg. R. Mißelbeck und W. Hagspiel, 120 S.; HC; 1999, EUR 29,70
ISBN 3-7616-1403-9
 
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