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Fred Stein – Kinder

Streben nach Gerechtigkeit
Fred Stein: Kinder – Children

Seine Porträts von Albert Einstein sind weltbekannt, doch der Name Fred Steins war lange zwar nicht ganz vergessen, doch aber verblasst. In den vergangenen Jahren wurde der in Dresden geborene Stein durch verschiedene Ausstellungen etwa im Jüdischen Museum in Berlin oder im Stadtmuseum und im Residenzschloss in Dresden wiederentdeckt. In den 1930er Jahren war Stein gemeinsam mit seiner Frau Liselotte Salzburg nach Paris ins französische Exil geflüchtet. Es war eine Flucht in letzter Minute. Als Jude und überzeugter Antifaschist hatte Stein in Deutschland keine Zukunft: „Dresden vertrieb mich; so wurde ich Fotograf.“
Erst in Paris begann Stein mit der Leica-Kamera zu fotografieren, einem gemeinsamen Hochzeitsgeschenk. In dieser Zeit, bis 1941, als die Familie nach Marseille flüchtete und von dort nach New York emigrierte, entstanden etwa Porträts von Willy Brandt oder Hannah Arendt. Stein führte ein eigenes Fotostudio in Paris und stellte gemeinsam mit Man Ray und André Kertész aus. Später in New York porträtierte Stein unter anderem Norman Mailer, Marc Chagall, Georgia O’Keeffe, Albert Einstein, Thomas Mann und Annette Kolb.
Weniger bekannt als diese Porträts und die New Yorker und Pariser Straßenszenen sind Steins Kinderbilder. „Die Kamera unterscheidet nicht zwischen Berühmtheiten und einem Niemand, zwischen einem guten Freund und einem völlig Fremden, wenn sich der Verschluss öffnet“, so der Autodidakt Fred Stein, der vor dem Krieg in Deutschland Rechtswissenschaften studiert hatte.
Was zeichnet Steins Bilder aus? Ist es der stimmungsvolle, humorvolle Blick auf die Menschen? Der präzise, formbewusste Blick auf das einfache Leben? Die feinen, lässigen Kompositionen? Cartier-Bresson wird ein Vorbild Steins gewesen sein – Stein verbindet den besonderen fotografischen Moment mit einem Streben nach „Wahrheit“, wie Willy Brandt geschrieben hat: „Ich begegnete Fred, als wir beide als Flüchtlinge das totalitäre Naziregime mit unseren ziemlich bescheidenen Mitteln bekämpften. Für seine Zeit war er sehr avantgardistisch, ein brillanter Fotograf, dessen Bilder widerspiegelten, dass er vom Streben nach Gerechtigkeit und Bedacht auf Wahrheit inspiriert wurde.“
Steins Kinderbilder sind noch stiller und konzentrierter, wie nun ein neu erschienenes Buch zeigt: „Fred Stein: Kinder – Children“ versammelt Bilder aus Paris, aus New York, aus Flüchtlingslagern. Erstaunlich zeitlose Fotografien, die man mit großer Empathie betrachtet. Seien es die fünf Kinder in Paris im Jahr 1936, die sich über eine Zeitung beugen und ganz dicht zusammenrücken – oder jene New Yorker Szene, die Kinder zeigt, die auf der Straße spielen. Es sind suggestive Kinderporträts, wie jenes eines Jungen mit Barett, 1938 in Valence fotografiert – oder auch ungemein lustige Momentaufnahmen, die etwa im jüdischen Viertel in Amsterdam entstanden sind. Doch alle ähneln sich in einem Punkt: Zu gerne würden wir wissen, was aus all diesen Kindern geworden ist.
Oftmals sind es Flüchtlingskinder, die Fred Stein fotografiert hat: Gerade die Bilder von Flüchtlingskinder des Spanischen Bürgerkriegs, die nach Frankreich evakuiert wurden, gehören zu den besten Werken des Bandes. Verleger Alexander Atanassow vergleicht die Arbeiten Steins mit jenen David Seymours. Und in der Tat sind Seymours Kinderbilder, die der polnische Magnum-Fotograf 1949 in dem Buch „Children of Europe“ zusammengefasst hat, in ihrer Bildsprache sehr nah an jenen von Fred Stein.
Steins und Seymours Anliegen war es, die Auswirkungen von Krieg und Vertreibung auf Kinder in Bilder zu fassen. Noch heute leiden viele Kinder auf der Welt unter Kriegen: Auch das ist eine Lehre dieses Bandes, der in verschiedenen Essays den biografischen und zeitgeschichtlichen Rahmen des Werks von Fred Stein einordnet.

25.03.2019
Marc Peschke
FRED STEIN. Kinder – Children. Stein, Fred; Freer, Dawn; Janeczek, Helena; Joschke, Christian; Lefebvre, Miche. Hrsg,; Atanassow, Alexander; Vorwort von Stein, Peter; Designer Alexander, Atanassow. Engl.; Dtsch.176 S. 130 z. T. fb. Abb. 24 x 27 cm. Kunstblatt-Verlag, Dresden 2019. EUR 29,95. CHF 30,90
ISBN 978-3-9815797-9-6   [Kunstblatt]
 
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