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Jacques Henri Lartigue – Das Leben ist bunt.

"Weil er das Leben liebte"
Schon das Cover dieses Buchs verrät viel über den Bildautor. Wir sehen eine junge Frau, im Hintergrund eine schneebedeckte Holzhütte, ein Waldstück und ihr Auto: ein Citroën 2CV. Im Vordergrund hat sie es sich bequem gemacht und ist gerade dabei, ein winterliches Sonnen-Picknick im Schnee zu richten. Was noch fehlt, ist der Fotograf selbst. Doch der fertigt gerade das Bild.
Besser, denken wir uns, kann man es sich im Winter nicht machen. Die Sonne wärmt offenbar schon stark: Die Frau hat ihre Jacke ausgezogen und offenbart uns einen roten Pullover, unter dem sie – in effektvollem Kontrast – noch einen grünen Pullover trägt. Sie hat ein bräunliches Tuch im Haar, helle Hosen und gelb-braune Lederstiefel. Alles ist einfach. Alles ist erlesen. Alles ist schön.
Und schön war das Leben des 1894 geborenen Jacques-Henri Lartigue, der erst 1986 hochbetagt in Nizza starb. Er lebte vielleicht so lange, weil er das Leben liebte, weil er es verstand, es zu genießen. Ein kleiner, doch gut gestalteter Band präsentiert jetzt erstmals seine Farbaufnahmen.
Denn eigentlich ist Lartigue als Schwarzweißfotograf bekannt geworden. Als Bildautor, der die Realität gefiltert zeigt, gehüllt in klassische Eleganz. Er ist bekannt geworden für seine Bilder von Autorennen und für seine Meerbilder, die Mensch und Materie zeigen. Menschen, wie sie ins Wasser springen, durchs Wasser tauchen, sich erfrischen in dem Stoff, der Ursprung allen Lebens ist: Bilder voller Bewegung und auch andere, kontemplative Bilder. Bilder der Freude, der Sehnsucht, des Glücks.
Solche lebendigen, momenthaften Bilder schafft der zunächst als Maler ausgebildete, erst in den 1960er Jahren als Fotograf entdeckte Lartigue auch in Farbe. Und das Herz fotografiert hier stets mit, wie schon die im vergangenen Jahr im Pariser „Maison Européenne de la Photographie“ gezeigte Ausstellung „La Vie En Couleurs“ offenbarte.
Das Buch versammelt nun Bilder von den unzähligen Reisen eines Mannes, dessen Leben uns heute als eine lange, große Reise erscheint: Bilder von der Côte d`Azur, als der Massentourismus noch nicht erfunden war, Bilder der feinen Gesellschaft, aber mehr noch, Bilder aus der Natur, Bilder von Blumenfeldern, von Kindern in der Bretagne, Porträts seiner gekonnt gekleideten Frau Florette im frühlingshaften Piemont, Bilder nebelverhangener Bauernlandschaften – aufgenommen stets mit genauem Gespür für die Pracht der Farben der Natur, aber auch der Kleidung und der Mode.
Lartigue hätte auch ein großer Modefotograf werden können, der den natürlichen Stil der siebziger Jahre um viele Jahre vorwegnahm. Und wieder einmal darf man die so milchige Schönheit alter analoger Aufnahmen rühmen: die Weichheit der Konturen, die augenschmeichlerische, zurückhaltende Farbigkeit. Frühe Autochrome, entstanden ab 1912, zeigt dieses Buch, dann Arbeiten die mit Rollfilmen und im Kleinbildformat entstanden sind, darunter auch Porträts von berühmten Freunden, Gönnern und Förderern wie Picasso oder Cocteau: allesamt Bilder aus einer anderen Zeit, in die man heute ein wenig wehmütig zurückblickt. Wenn Lartigue sagt, dass Farbfoto scheine ihm „am besten in der Lage zu sein, Zauber und Poesie zum Ausdruck zu bringen“, dann finden wir dafür auf jeder Seite dieses Buches eine süße Bestätigung.
Die Fotografie war für Lartigue eine Liebhaberei – und das im schönsten Sinn. Er konnte es sich leisten, zu fotografieren, in Schwarzweiß, aber immer auch in Farbe, wie wir erst jetzt erstaunt feststellen. Und so fotografierte er all die Jahre seines heiteren Lebens – und kam dabei auch noch zu Ruhm. „Lächelnd“, so heißt es, wollte er sterben. Und so wird es wohl auch gekommen sein.

12.07.2016
Marc Peschke
Das Leben ist bunt. Lartigue, Jacques Henri. 168 S. fb. Abb. Gb. Schirmer und Mosel, München 2016. EUR 34,00. CHF 39,10
ISBN 978-3-8296-0749-0
 
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