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Targets

Targets. Angriffsziele, Zielbereiche, Zielscheiben/Schießscheiben, darauf meist Menschen. Das Subjekt wird zum Objekt. Militärische Schießausbildung, anonym porträtierte Soldaten in Fotografie (Katalog) und Videoinstallation (Ausstellung). Präsentiert im hundertsten Jahr des ersten Weltkriegsbeginns im früheren Berliner Waffenarsenal Zeughaus. In dessen Innenhof 22 Schlütersche Köpfe feindlicher „Sterbender Krieger“ (um 1700) Assoziationen zur Ausstellung erden.

Ein globalisiert-internationalisierter Blick auf fast 250 Motive aus mehr als 25 Ländern. Die, zuerst augenfällig, den Wandel des westlichen Bildes vom Gegner, Feind dokumentieren. Wer ist heute Gegner, Feind, und wo? Männer, Frauen und Jugendliche in Zivil, Polizisten, Soldaten? Sie alle sind nun auf Zielscheiben zu finden. Schoß man in Bundeswehr und US-Armee lange auf leicht asiatisch aussehende Pappsoldaten, so heute auch auf pistolenbewehrte Blondinen, auf US-amerikanischen Schießplätzen auf orientalisch Gekleidete. Die Spuren der europäischen (1989/90) und US-amerikanischen Epochenwende („9/11“) auf Schießscheiben. Militärische Schießausbildung, nun auch zur Abwehr von Angriffen bewaffneter Zivilisten. Nicht nur fotografisch ein Abschied von der so häufigen, einsträngigen Achtziger-Jahre-Gleichsetzung mit (Angriffs-)Kriegen. Und doch bleibendes Symbol, für (konditionierte) Gewalt, Töten, Sterben.

Der aufklärerisch-moralische Impetus dieser Fotografien belegt die Kontinuität in Koelbls fotografischem Werk. Und dessen Essenz, das fotografische Motiv erfolgreich als Medium zur Kritik, dem Decouvrieren gesellschaftlicher Werte, Normen, Prätentionen zu nutzen (so in „Feine Leute-111 Photographien der Jahre 1979 bis 1985“, Bonn 1986; Edition Stemmle 1991). In dieser Ausstellung sind es die großformatigen „Schießscheiben“. Enttarnen sie sich doch als doppelte Kulisse, hinter der Fragen lauern wie: Wer benutzt diese Waffen? Wo? Wann? Wie lange? Warum? Muß es Kriege geben? Fragen, Textzitate zeigen es in Katalog und Ausstellung, die auch Akteure hinter diesen Schießscheiben bewegen. Und auf die Herlinde Koelbl nach sechs Jahren Arbeit mit diesem Motiv im öffentlichen Zeughaus-Gespräch deutlich antwortet: Kriege wird es immer geben. Sie sollten aber mit Respekt vor dem Gegner geführt, Töten nicht mit Morden gleichgesetzt werden. Im Begleitband klingt das verhaltener, Frieden sei möglich, wenn politisch gewollt.

So kann diese Fotoausstellung zum Prüfstein individueller und gesellschaftlicher ethisch-moralischer Normen werden. Und ist zugleich eine Momentaufnahme aus dem Jahr 2014, die eine sich differenzierende deutsche Wahrnehmung von Krieg und Militär zeigt.
(Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, die bis zum 5. Oktober 2014 im Zeughaus/Deutsches Historisches Museum, Berlin, Unter den Linden, zu sehen ist.)

09.09.2014


Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Herlinde Koelbl: Targets. Foto(s) von Koelbl, Herlinde. 240 S. 220 fb. Abb. 30 x 24 cm. Gb. Prestel Verlag, München 2013. EUR 49,95. CHF 66,90
ISBN 978-3-7913-4948-0
 
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