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Gediegen in Bremen, prächtig in Görlitz - „Bürgermeisterzimmer in Deutschland“

Wie schaut es aus in den Amtsstuben? Das ist in der Fotografie immer wieder ein Thema. Guy Tillim zeigte ebensolche, afrikanische, in seinem Buch „Avenue Patrice Lumumba“ und auch Jan Banning ist mit einer solchen Serie bekannt geworden. „Bureaucratics“ nannte der Niederländer seine Werkgruppe, welche die Individualität von Büros und Bürokratie auf der ganzen Welt vor Augen führte: in Indien, Russland, Bolivien, Liberia, Frankreich, China, im Jemen und in den USA.

Jörg Winde ist also nicht der erste, der sich mit Amtsräumen beschäftigt. Doch in seiner Serie „Bürgermeisterzimmer in Deutschland“, die jetzt als Buch erschienen ist, verzichtet er im Gegensatz zu den Kollegen ganz auf die Darstellung der Menschen – in diesem Fall der Bürgermeister, welche die Räume benutzen.

Diese Strategie des 1956 geborenen Professors für Fotografie am Fachbereich Design der FH Dortmund ist interessant, denn sie lenkt den Blick ganz und gar auf die Interieurs, auf die Unterschiedlichkeit der Möbel, auf die Diversität der Innenräume, auf all die vielen Kleinigkeiten, auf den Nippes und die Staatsinsignien, welche diese Zimmer beleben. Bei manchen der Arbeiten ist man überrascht. Können Bürgermeisterzimmer so geschmacklos eingerichtet sein?

Mit einer Plattenkamera fotografiert Winde die Räume, das Ergebnis ist von großer Genauigkeit und Präzision der Abbildung. In Aachen, Zwickau, Glücksburg und Füssen hat er gearbeitet, in Wiesbaden und Hamburg. Sieben Jahre lang in 116 Zimmern, die so unterschiedlich sind, wie die, die in ihnen regieren. Da gibt es historische, prächtige Räume wie in Ravensburg – in Schwäbisch Hall sogar mit Deckenfresko oder in Aachen mit herrlicher Wandvertäfelung. Andere Bürgermeisterzimmer – wie jenes in Husum – sind spartanisch eingerichtet, jenes in Hamburg gehört zu den lieblosesten im Buch.

Manche sind modern, andere prunkvoll und altmodisch. Doch wollen wir eigentlich wissen, wie sich jene einrichten, die uns regieren? Aber sicher! Gediegen sieht es aus in Bremen, ärmlicher in Ulm oder Sindelfingen, prächtig in Görlitz. Ziel der Bilder ist es, so Winde, auch über „Formempfinden und Präsentationswillen unserer Stadtoberhäupter“ Auskunft zu geben.

Beides scheint in einigen Fällen nicht sehr ausgeprägt – manche der Interieurs muten wie sehr durchschnittliche Versicherungsbüros an. Doch wird man den fehlenden „Präsentationswillen“ der Politiker wirklich bekritteln wollen? Was zählt ihr „Formempfinden“? Am Ende bleibt die Erkenntnis: Die Räume sind so unterschiedlich wie die Menschen, die hier arbeiten. Die hier gezeigten Orte verbindet wenig – es formt sich kein einheitliches Bild über die Vorderen der Lokalpolitik in Deutschland. Doch wenn Sie schon immer mal wissen wollten, wo Ihr Bürgermeister oder Ihre Bürgermeisterin so arbeitet – dieses Buch gibt Auskunft.

09.12.2012
Marc Peschke
Bürgermeisterzimmer in Deutschland. Hrsg.: Winde, Jörg; Beiträge von Winde, Jörg; Bohn, Ralf; Sachsse, Rolf. 188 S., 193 fb. Abb. 24 x 29 cm. Leinen. Kerber Verlag, Bielefeld 2012. EUR 44,00. CHF 55,50
ISBN 978-3-86678-732-2
 
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