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Karl Hubbuch und das neue Sehen

Wer Karl Hubbuch lediglich aus seinen Arbeiten im Kraichgauer Schloss Gochsheim und denen in der Karlsruher Majolika kennt, wird staunen, welche Seiten seiner künstlerischen Persönlichkeit in der Ausstellung "Karl Hubbuch und das Neue Sehen" im Münchner Stadtmuseum zutage kommen. Übrigens: Wer es nicht geschafft hat, bis zum 4. März diese aufsehenerregende Schau besucht zu haben, kann sich schon jetzt darauf freuen, sie vom 8. September bis 18. November 2012 in der Städtischen Galerie in Karlsruhe zu betrachten, und sich mittels des exzellenten Kataloges darauf vorbereiten. Thema ist der fotografische Nachlass des Karlsruher Kunstprofessors (21. Nov. 1891 in Karlsruhe geboren, 26. Dez. 1979 ebenda gestorben), ausgestellt mit Gemälden und Zeichungen im Stil der neuen Sachlichkeit. Die Fotografien des Ehepaares Karl und Hilde Hubbuch wurden von dem (verstorbenen) Kunsthistoriker und Hubbuch-Freund Prof. Wolfgang Hartmann aufbewahrt und der Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums überlassen. Die parallel zu den Fotos gezeigten Gemälde korrespondieren mit den Fotografien, sei es, weil sie auf den Fotos zitiert werden, sei es, weil sie während derselben Zeit entstanden sind.

Die Ausstellung umfasst zehn Schaffensjahre, von 1925 bis 1935, die wohl die positivsten und schönsten Jahre des Künstlers gewesen sein dürften. Seit 1933 gilt Hubbuchs Arbeit als "entartet", nach 1935 rührt er die Kamera nicht mehr an, 1936 lässt er sich von seiner ersten Frau Hilde scheiden (vermutlich auf Druck der Nazis hin), die als Jüdin zuerst nach London, dann nach New York emigriert und dort als Fotografin arbeitet.

Das Faszinierende an Karl Hubbuch und seinen sehr unterschiedlichen Arbeiten (wenn man die in Gochsheim und der Karlsruher Majolika mit einbezieht) ist, dass er immer noch eine Entdeckung darstellt, denn so bekannt wie seine Zeitgenossen Otto Dix (1891-1969) und George Grosz (1893-1959) ist er nicht geworden: Umso unverbildeter kann man sich dem Künstler und Fotografen nähern.

Was ist zu sehen? Zum Beispiel eine ganze Sequenz des Paares in Hubbuchs Atelier, wie beide breitbeinig, mit durchgedrückten Knien und sich ernst, fast grantig schauend der Linse bzw. dem Betrachter stellen. Die Bilder sind nicht ohne Witz, der zur Schau gestellte Trotz reizt zum Schmunzeln. Mann und Frau in identischer Haltung: Das heißt ja sicher auch, dass sich beide als gleichwertig empfanden und sich der Außenwelt in provokanter Pose auch so präsentierten. Und vielleicht heißt es auch, dass die Gleichheit von Mann und Frau nicht ohne Probleme ist ... Hinzu kommen bei den Aufnahmen, nicht nur mit Hilde, sondern auch mit anderen Modellen, Gegenstände wie Bauhausmöbel, Fön und Fahrrad, die weniger als Statussymbole denn als materielle Gegensätze zum menschlichen Körper fungieren. Parallel zu den Atelieraufnahmen entstehen Straßenfotos, Zeitzeugnisse, wie sie auch Reporter wie der Berliner Pressefotograf Willy Römer (1887-1979) schuf - darunter eine Reihe Karlsruher Ansichten, u.a. Aufmarsch der Hitlerjugend 1933 sowie Aufnahmen des Alten Flugplatzes mit Publikum.

Übrigens: Dass die wenigen Zeichnungen Hubbuchs aus den Jahren zwischen 1914 bis 1918 (er nahm als Freiwilliger am 1. Weltkrieg teil) "Illustrationen eines geruhsamen Lagerlebens mit Bauerngehöften und Landschaften" seien, dem darf man vielleicht widersprechen: Die Gochsheimer Zeichnungen "Die Ruhr" (um 1916), "Feuerüberfall" (1914/18), "Tierquäler (1914/18) sowie "Der Invalide" (1919) sind alles andere als geruhsam, sondern in ihrer fast primitiven künstlerischen Sprache umso bedrückender.

11.03.2012
Daniela Maria Ziegler
Hubbuch, Karl. Karl Hubbuch und das neue Sehen. Photographien, Gemälde, Zeichnungen.Katalog Münchner Stadtmuseum. 240 S., 250 fb. Abb und Duotone. 20 x 24 cm, Gb. Schirmer und Mosel, München 2011. EUR 49,80
ISBN 978-3-8296-0560-1
 
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