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Raffael im Vatikan

"Und nun hat er" - gemeint ist Papst Leo X. - "sich eine ausgemalte Loggia bauen lassen, unter Verwendung von Stuckarbeiten all'antica, das Werk von Raffael, so schön, wie es irgend geht und vielleicht schöner als alles, das man heutzutage im modernen Stil finden kann," schrieb der Schriftsteller und Diplomat Baldassare Castiglione, ein enger Freund Raffaels, 1519. Diese vatikanischen Loggien, von Bramante begonnen und nach seinem Tod 1514 von Raffael weitergeführt und 1513 vollendet, sind 5 übereinander liegende, ursprünglich offene Bogengänge, deren mittleren Raffael als Galerie für antike Skulpturen aus der päpstlichen Sammlung entwarf und, inspiriert von römisch-antiken, frühchristlichen und mittelalterlichen Vorbildern, zu einem Gesamtkunstwerk aus Architektur, Skulptur, Reliefs, Fresken (insgesamt 52 Szenen aus dem Alten und Neuen Testament) und Dekorationselementen (Grotesken, Festons und Stuckaturen) gestaltete. Sämtliche Entwürfe dazu stammen von ihm selbst, mit der Ausführung beauftragte er die fähigsten Künstler seiner Werkstatt.
Basierend auf ihren früheren Forschungen und Veröffentlichungen hat die international anerkannte Autorin, die sich auf die Antikenrezeption Raffaels und die Bedeutung und Leistungen der unter seiner Leitung arbeitenden Künstler spezialisiert hat, die Loggien erneut untersucht und weitere Erkenntnisse gewonnen. Abschnitt für Abschnitt betrachtet und interpretiert sie das von Raffael ausgemalte und dekorierte Stockwerk und analysiert systematisch, gründlich und detailliert den gesamten Themenkomplex: die Konzeption der Loggien und ihren "antikischen Stil", Raffaels Bibelauffassung und -darstellung, seine Bildauswahl und Komposition, insbesondere "die erstaunliche Einheit von heidnischer Ornamentik und biblischer Erzählung", die Bedeutung seiner Werkstatt und die künstlerische Rezeption, die mit den Nazarenern ihren letzten Höhepunkt erreichte.
Dieser sehr schön aufgemachte und ausgestattete, opulente Kunstband - ein weiterer nach der "Sixtinischen Kapelle" in einer überaus begrüßenswerten Reihe, die sich zur Aufgabe gemacht hat, die Kunststätten und -Werke des Vatikans in Verbindung mit Religion, Geschichte und Kulturgeschichte zu präsentieren – wird nicht nur Fachleute faszinieren. Die großartigen, meist ganzseitigen Farbaufnahmen, ergänzt durch einfarbig wiedergegebene Entwurfs- und Modellzeichnungen Raffaels und seiner Schüler, antike Vorbilder und zeitgenössische Kopien, sind ein Genuss für jeden Kunstliebhaber und eine schier unerschöpfliche Quelle fundierten Fachwissens über ein Werk der Renaissance-Kultur, dessen Freskenschmuck „als das bedeutendste Dekorensemble der westlichen Kunst“ gilt.
Christa Chatrath
Dacos, Nicole: Raffael im Vatikan. Die päpstlichen Loggien neu entdeckt. 352 S., 320 fb. Abb. 32,5 x 24 cm. Gb. Belser Verlag, Stuttgart 2008. EUR 88,00
ISBN 978-3-7630-2517-6
 
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