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Cranach im Exil

Ein opulentes Katalogbuch ehrt Lucas Cranach.

Lucas Cranach der Ältere, 1472 im oberfränkischen Kronach geboren, galt schon seinen Zeitgenossen als einer der wichtigsten Maler der Epoche. So lobte etwa im Jahre 1509 der Nürnberger Jurist und Humanist Christoph Scheurl den Renaissancemaler: „In der Tat, wenn ich den einzigen Albrecht Dürer, meinen Landsmann, dieses unzweifelhafte Genie ausnehme, so muß, was die, ... lange vernachlässigte, jetzt neuerwachte Malerkunst anlangt, unser Jahrhundert, meines Erachtens, Dir allein den obersten Rang zugestehen ...“

Cranachs Stern begann in der Residenzstadt Wittenberg - dem geistigen Zentrum der Reformation - zu glänzen: Zwischen 1505 und 1550 lebte er hier als Hofmaler der Kurfürsten von Sachsen. In Wittenberg betrieb Cranach, der Künstlerfürst, seine große Malschule, hier stand er der Stadt als Bürgermeister vor - und war bald ihr reichster Bürger. Hier lernte er Philipp Melanchthon kennen und wurde ein enger Freund und schließlich auch Trauzeuge Martin Luthers. Cranach war ein großer Unterstützer der Reformation: Er schuf Holzschnitte für die protestantische Bibel und andere Reformationsschriften Luthers, illustrierte Flugblätter, half nach Kräften mit, den neuen Glauben bekannt zu machen. Die Luther-Übersetzung des Neuen Testaments, die sogenannte „Septemberbibel“, erschien im Verlag Cranachs.

Weniger bekannt ist die Verbindung des Malers, Zeichners, Holzschneiders und Kupferstechers zur Rhein-Main-Region. Gleich an drei Orten ehrt die Stadt Aschaffenburg jetzt den Meister der Reformationszeit. Im Schlossmuseum, der Kunsthalle Jesuitenkirche und dem Stift St. Peter und Alexander ist noch bis zum 3. Juni die Ausstellung „Cranach im Exil“ zu sehen. In der Jesuitenkirche wird mit dem großen, jetzt zusammengeführten und restaurierten Magdalenen-Altar ein Hauptwerk Cranachs gezeigt, die Ausstellung im Schloss berichtet von den historischen Zusammenhängen, während im Stift St. Peter und Alexander vor allem die Figur Albrechts von Brandenburg beleuchtet wird. Zudem ist im Regensburger Verlag Schnell & Steiner jetzt ein umfangreiches, von Gerhard Ermischer und Andreas Tack herausgegebenes Katalogbuch erschienen, das insgesamt 15 Beiträge versammelt.

Vor allem der erste Beitrag von Herausgeber Gerhard Ermischer führt allumfassend in das Thema ein: Albrecht - katholischer Erzbischof von Mainz, Magdeburg und Halberstadt, Kurfürst und Reichserzkanzler - gab ausgerechnet Cranach, dem Wittenberger Künstler des Protestantismus, den größten Auftrag der deutschen Kunstgeschichte: die Ausgestaltung der Stiftskirche seiner Heimatstadt Halle mit 16 Altären. 1540 floh Albrecht vor der Reformation aus Halle, ein „geordneter Rückzug“ ins Erzbistum Mainz allerdings, wie Dr. Gerhard Ermischer, Kurator und Stadtarchäologe an den Museen der Stadt Aschaffenburg, erläutert. Das Schicksal meinte es jedenfalls gut mit dem bayrischen Aschaffenburg: Viele Ausstattungsstücke der Stiftskirche konnte Albrecht im Jahr 1541 an den Main bringen.

In der Person Cranachs, so lesen wir weiter, kulminiert gewissermaßen die Spaltung der Gesellschaft in der Reformationszeit. Als Freund Luthers, als Künstler der Reformation, arbeitete er zeitgleich für den katholischen Auftraggeber Albrecht von Brandenburg, dessen Hang zum künstlerischen Prunk und Reliquienkult den Reformatoren ein Dorn im Auge waren. „Hurhaus in der Moritzburg“, so nannte Luther die Residenz Albrechts einmal spöttisch.

Auch wenn es verwundern mag: Ganz untypisch ist Cranachs interkonfessioneller Geschäftssinn nicht: Viele der wichtigsten Maler der Dürerzeit, so auch der nur wenige Jahre jüngere Hans Baldung Grien, waren Künstler zwischen allen konfessionellen Stühlen: Sie bedienten gleichermaßen protestantische wie katholische Kunden und sind damit Beispiel für einen erst in der Renaissancezeit ausgebildeten neuen, sehr selbstbewussten Künstlertypus. Kunst war nicht mehr Glaubensbekenntnis: Cranach war virtuoser Gestalter und gleichermaßen moderner Unternehmer, der seiner unterschiedlichen Kundschaft individuelle Angebote machte.

Ein Paradebeispiel dafür sind einige im Katalog gezeigte Kreuzigungsgruppen. Die Kernszene mit dem gekreuzigten Jesus ist sowohl in der protestantischen als auch katholischen Variante beinahe gleich, doch stellt Cranach in dem für seinen katholischen Auftraggeber entstandenen Gemälde eine Vielzahl von Figuren bei, während er bei dem protestantischen Käufer darauf verzichtet. Dafür wird diese Gruppe von einigen Spruchbändern begleitet - ganz im Sinne von Luthers Diktum, dass die Schrift vor dem Bild stets Vorrang haben müsse.



Marc Peschke
Cranach im Exil. Aschaffenburg um 1540: Zuflucht - Schatzkammer - Residenz. Hrsg. Gerhard Ermischer, Andreas Tacke. 400 S., 230 meist fb. Abb., 23 x 28,5 cm, Gb. Schnell & Steiner, Regensburg 2007. EUR 24,90 ab 16.6.07 EUR 29,90
ISBN 978-3-7954-1948-6   [Schnell & Steiner]
 
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