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Von Alpha bis Omega - Spanische Buchmalerei vor 1000 Jahren

Wieder ein brandheißes Werk aus dem Dr. Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden.
Die Autorin Mireille Mentré hat es erreicht, dem großen Thema „Spanische Buchmalerei des Mittelalters“ einen fulminanten Auftritt zu verschaffen. Sie untersucht die christliche Malerei auf der Iberischen Halbinsel zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert. Diese so genannte „mozarabische“ Malerei, auf deren Terminologie hier nicht weiter eingegangen werden soll, fand in dieser Zeit ihre Ausformung sowohl in der Wand- als auch in der Buchmalerei. Um letztere Variante geht es in vorliegendem Werk. Ausgehend von den drei seiner Zeit in Spanien vorherrschenden Buchreligionen Christentum, Judentum und Islam entwickelte sich die mozarabische Malerei zu einer Art Mischform, die Elemente aus allen drei Religionen zum Ausdruck brachte. Als im 8. Jahrhundert zum Christentum und Judentum der Islam hinzukam und sich die drei Religionen naturgemäß direkt berührten, waren die jeweiligen Anhänger im Land teils gespalten, teils in wohlwollender Koexistenz miteinander. Diese Turbulenzen treten in der Buchmalerei jener Epoche deutlich in Erscheinung. Nicht nur durch die sehr warmen und kräftigen Farben, sondern auch durch die schon recht gekonnt in Szene gesetzte Bild-Perspektive mit bis zu sieben (!) Ebenen, wird in dieser Frühform der spanischen Buchmalerei bereits starke Atmosphäre geschaffen und sogar die Stimmungen der dargestellten Personen und Tiere wiedergegeben. Auch Bewegungsabläufe von Mensch und Tier treten in Erscheinung. Es sind nicht nur die alt überlieferten Kanontafeln, die hier die huldigend-schönen Beatus-Bilder kennzeichnen, sondern vielmehr eine bereits flächige und perspektivische Malweise. Es geht weg vom eher starren merowingischen Malstil und hin zu einer völlig neuen lebendigen Illumination.
Der Autorin kommt es darauf an, Unterschiede und vor allem Gemeinsamkeiten innerhalb der mozarabischen Buchmalerei en gros und en detail zu analysieren und darzustellen.
Genau das ist ihr auch sehr gut gelungen, weil der betrachtende Leser ein perfektes Rüstzeug an die Hand bekommt, womit er in der Lage ist, die Einmaligkeit dieser Sonderform der europäischen Buchmalerei des noch recht frühen Mittelalters textlich und bildlich nachzuvollziehen und regelrecht haptisch begreifen zu können.

Es sei nun kurz vor Schluss dieser Betrachtung noch auf die Bedeutung der Überschrift hingewiesen. Die liturgischen Texte begannen in der mozarabischen Malerei oft mit einem ALPHA und endeten mit einem OMEGA, was die Autorin in ihrem Werk schön umsetzte.

Der künftige Leser und Betrachter vorliegenden Werkes darf schon sehr gespannt sein, was da an heißblütigem Feuerwerk mittelalterlicher Buchmalerei aus einem der wärmsten und temperamentvollsten Länder der Erde auf ihn zukommt. Der bereits „eingeweihte“ Leser hört auch niemals auf, sich über das grandiose Meister-Werk von Mireille Mentré aus dem Dr. Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden zu freuen. Lassen wir uns zu unserer großen Freude immer wieder neu überraschen und inspirieren!

2007-04-03
Oliver Roth
Spanische Buchmalerei des Mittelalters. Mireille Mentré. 4°; 320 S. 106 sw. Abb., 146 fb. Abb., L. Reichert, Wiesbaden 2006. EUR 78,-
ISBN 3-89500-196-1   [L, Reichert]
 
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