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Die Skulptur des Mittelalters in Italien

Nichts anderes war zu erwarten: Nach dem eindrucksvollen Buch über die romanische Skulptur Italiens liegt nun der Band über die gotische Skulptur vor, und auch dieser setzt Maßstäbe: Im Hinblick auf die Qualität der Abbildungen, die Reichhaltigkeit der Dokumentation und die Stringenz, mit der die Kunstwerke beschrieben werden, findet sich auf dem Buchmarkt zu diesem Thema nichts vergleichbares. Mit dem Band kommt das verlegerische Großprojekt zum Abschluss, die italienische Skulptur des Mittelalters und der Renaissance in qualitätvollen Neuaufnahmen und in einer Kommentierung auf dem aktuellen Stand der Forschung einem großen Publikum zugänglich zu machen – der erste Band zu „Donatello und seiner Zeit“ war vor 10 Jahren erschienen.
Der Aufbau des großformatigen Buches folgt dem Vorbild der vorausgegangenen Werke: dem einleitenden Essay schließen sich die Bildtafeln an, die wiederum ein ausführlicher Katalog kommentiert, der überdies Vergleichsabbildungen enthält. Der einleitende Text des vorliegenden Bandes scheint besonders geglückt: Eindrucksvoll sind hier erste Beschreibungen der Skulpturen mit grundsätzlichen Fragestellungen verwoben, es wird nach den Auftraggebern und Künstlern, den bildhauerischen Aufgaben sowie den Einflüssen auf die Skulptur durch die Antike sowie die französische Skulptur gefragt.
Gotische Skulptur in Italien, das sind die Werke der berühmten Bildhauer Nicola und Giovanni Pisano, Arnolfo di Cambio, Tino di Camaino, Lorenzo Maitani und anderer. Sie beginnt mit den wohl von dem Staufer Friedrich II. selbst in Auftrag gegebenen Skulpturen, von denen sich aber nur Reste der bildhauerischen Ausstattung des Brückentors von Capua und des Castel del Monte in Apulien erhalten haben. Prägnanter fassbar ist das Werk Nicola Pisanos (aktiv ab 1258, gest. 1278), allem voran die von ihm gearbeitete Kanzel im Baptisterium zu Pisa: hier erhebt sich über sieben Säulen die eigentliche Lesebühne, die von szenischen Reliefs abgeschrankt wird. Ist bereits die unterschiedliche Farbwirkung der verschiedenen Steinsorten der Tragesäulen eindrucksvoll, machen den eigentlichen Ruhm der Kanzel die Brüstungsplatten aus. In einzigartiger Weise sind etwa in der ersten Tafel ohne logische Brüche die Verkündigung an Maria und an die Hirten sowie das Waschen des neugeborenen Christuskindes um die Darstellung der liegenden Muttergottes herum angeordnet. Und gänzlich neu in der Darstellungskonvention sind die beiden letzten Reliefs mit der Kreuzigung Christi und dem Jüngsten Gericht, in einzigartiger Weise wird hier Dramatik zum eigentlichen Darstellungsinhalt. Ähnliche Höhepunkte finden sich mehrfach in dem Buch, stets werden sie ganz adäquat durch den Text und die zuweilen atemberaubend schönen Fotografien präsentiert. Abgeschlossen wird der Band durch die Skulpturen der Zeit kurz nach 1400, als die Gotik ganz international wurde: So finden sich etwa am Grabmal des Niccolò Brenzoni in S. Fermo Maggiore in Verona offenbar aus Burgund stammende Figuren, während ein Prophet bereits Bezüge zu den zeitgenössischen Figuren Donatellos verrät. Man möchte sich noch mehr Bücher aus dieser erfolgreichen Kombination von Textautor und Fotografen wünschen, so etwa über die deutsche gotische und spätgotische Skulptur. Qualitätvolle Überblickswerke sind hier ein dringendes Desiderat. Alexander Markschies
Alexander Markschies
Joachim C. Poeschke (Text), Albert Hirmer u. Irmgard Ernstmeier-Hirmer (Aufnahmen): Die Skulptur des Mittelalters in Italien, Band 2: Gotik. 245 S.; 485 Abb., dav. 90 fb.; 30 cm; HC; Hirmer Verlag München 2000, EUR 138,-
ISBN 3-7774-8400-8
 
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