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Mit den Augen des Fremden

Der vorliegende Band entstand anlässlich der kleinen Sonderausstellung desselben Titels und bietet in insgesamt neunzehn Aufsätzen internationaler Autorinnen und Autoren einen beeindruckenden Blick aus interdisziplinärer Sicht auf das Leben und Werk der im deutschprachigen Raum vor allem als Schriftsteller bekannten Persönlichkeit Adelbert von Chamissos. Es fällt auf, dass der mit Liebe und Umsicht erstellte, ausgesprochen reich illustrierte Band, dessen Mittelpunkt Adelbert von Chamissos Weltreise als Mitglied einer russischen Schiffsexpedition der Jahre 1815 bis 1818 bildet, trotz des hohen wissenschaftlichen Niveaus der Fachtexte leicht zu lesen und verständlich geschrieben ist. "Während der unermüdlichen Sammlertätigkeit fand Chamisso noch Zeit, seine Eindrücke von den neuen Ländern und den Menschen, die er sah, aufzuzeichnen. In seinen Kommentaren über die Inupiaq und die Aleuten, auf die er im Gebiet der Beringstraße und auf der Insel Unalaska in der Aleuten-Kette traf, spürt man eine warmherzige Menschlichkeit", schreibt Barbara Sweetland Smith über Chamissos Abenteuer in Alaska (S. 173f.). Nicht nur die Geschichte dieser für Chamisso biografisch so grundlegenden Reise - „ich habe mir zum Zwecke meines Lebens gesetzt, einst für die Wissenschaft zu reisen“, schreibt er schon im Jahre 1814 an den Prinzen Max von Wied-Neuwied, in der vergeblichen Hoffnung, an dessen Brasilienexpedition teilnehmen zu können -, auch die Grenzen, auf die der Dichter, Botaniker und Reisende in sich selbst in der Begegnung mit der Welt trifft, indem er jene Kulturen der Anderen eben „mit den Augen des Fremden“ sieht, finden ausführliche Behandlung in den verschiedenen Aufsätzen. „Wie zuverlässig ist Chamisso als Berichterstatter?“, fragt beispielsweise Dirk H. R. Spennemann (S. 148) und Edward Mornin konstatiert: „Tatsächlich fühlte er [Chamisso] sich noch nicht in der Lage, einen dem Wissenschaftler angemessenen Standpunkt einzunehmen, so überwältigt war er von der Menge der Tiere, Pflanzen, Vögel und Insekten (S. 164)“. Leben und Werk Adelbert von Chamissos, der von sich selbst sagte, - ich bin nirgends zuhause, ich bin überall fremd, lernt der Leser dieses vorzüglichen Werkes, dem ohne Einschränkung zu attestieren ist, einen wesentlichen Beitrag für die Chamisso-Forschung zu leisten, in neuem Licht zu sehen. Dass bei den Forschungsreisen des 19. Jahrhunderts die Kunst, noch vor Entdeckung der Fotografie, eine wichtige Rolle spielte, indem sie das Gesehene -dokumentierte, lässt sich nicht nur an Chamissos eigenen Aufzeichungen in diesem Band gut nachvollziehen, sondern wird in den zahlreichen kolorierten Lithografien des die Expeditoon begleitenden Malers Ludwig Choris ebenfalls anschaulich.

Matthias Mochner
Mit den Augen des Fremden. Adelbert von Chamisso - Dichter, Naturwissenschaftler, Weltreisender. [Maler Ludwig Choris]. 240 S., 91 sw. u. 94 fb. Abb. 20 x 24 cm. Gb., Gesellschaft für interregionalen Kulturaustausch, Berlin 2004. EUR 19,80
ISBN 3-9809767-0-X
 
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