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Jerusalemskirchen Mittelalterliche Kleinarchitekturen nach dem Modell des Heiligen Grabes

Aus frühchristlicher Zeit gibt es kein faszinierenderes Bauwerk als die Kirche des Heiligen Grabes zu Jerusalem. Dies gilt für ihren gestaltlichen wie inhaltlichen Anspruch, nicht zuletzt auch für eine bis in unsere Tage fortdauernde Wirkungsgeschichte. Noch in den letzten Jahren sind bedeutende und weit ausgreifende Publikationen dazu erschienen. Sie betreffen mit dem Gesamtkomplex der ursprünglich konstantinischen Anlage vor allem die Grabkapelle selber als ihre Mitte, ihre sinnentsprechenden Nachbauten finden sich in allen Ländern der christlichen Oekumene, abgesehen von den Einwirkungen auf den Kirchenbau im allgemeinen.
Die vorliegende Publikation ist als eine Art Ausstellungskatalog angelegt. Sie konzentriert sich neben allgemeinen baugeschichtlichen Problemen auf den Charakter der Grabeskirche Christi als eines eigenen architektonischen „Topos“: als eine sinnerfüllte Kleinarchitektur, eingebettet in die umschließende Raumhülle einer größeren Anlage. Damit ist der methodische Ausgangspunkt gegeben für eine Untersuchung, die unter der Anleitung von Prof. Jan Pieper und mit Förderung der Deutschen Forschungsgesellschaft an der Aachener Hochschule durchgeführt worden ist. Dabei wird über entwicklungsgeschichtliche Kategorien hinaus gefragt, „was Architektur dem Menschen, den sie behaust, letztlich bedeutet“: Topos als existentieller, in „unendlicher Methamorphose“ abwandelbarer Formen-, Vorstellungs- und Bilderschatz verstanden. Mit acht charakteristischen, monumentalen Beispielen wird diese Thematik durchgeübt, inhaltlich begründet in der religionsgeschichtlichen Bedeutung des Christusgrabes als Denkmal der Auferstehung, formal gesehen in zugrundeliegenden architekturhistorischen Vorstellungen. Die erkennbare Vertrautheit der Verfasser mit verwandten Topoi in außereuropäischen Kulturen ist hervorzuheben, darüber hinaus wären Hinweise möglich zu nahöstlich-christlicher Baukunst in Armenien, Georgien und Äthiopien. Doch auch so ist es interessant, die Beispiele der Modellvarianten zu verfolgen. Die von den Autoren beschriebene „christliche Wendung“ des Topos reicht auch in tiefere geistig-religiöse Vorstellungen, auf die in der katalogartigen Ausarbeitung wenigstens hingewiesen wird. Die Einbettung in den allgemeinen Spannungsbereich zwischen (Bau-)Kunst und Liturgie wäre wohl allzu aufwendig geworden. Doch auch so überschneiden sich in den analysierten Beispielen unterschiedliche Sinnbezüge und Intentionen: Andachts-, Pilger- und Reliquienheiligtümer, auch mit individuellen Bezügen auf Stifter bzw. Stiftergrablegen. All dies vermittelt aufschlußreiche, wenn auch keineswegs erschöpfende Einblicke in Funktion und Wesen eines architektonischen Topos, der für die Baukunst des christlichen Mittelalters und darüber hinaus von epochaler Bedeutung gewesen ist.
Victor H. Elbern
Pieper, Jan: Jerusalemskirchen Mittelalterliche Kleinarchitekturen nach dem Modell des Heiligen Grabes. Katalog. Hrsg.: Döring, Wolfgang; 55 S., 200 Abb., 30 cm. Pb; RWTH Aachen 2003, EUR 8,-
ISBN 3-936971-10-2
 
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