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Bildprogramm staatlicher Macht

Im sechzehnten Jahrhundert bildete sich eine eigenständie Ikonographie der Bilder an den protestantischen Höfen heraus, die zwar künstlerisch auf Vorhandenes zurückgriff, inhaltlich jedoch eigene Wege ging, die sich an dem reformerischen Gedankengut allein nicht erklären lassen. In dem neuartigen Bedürfnis, eine von der katholischen Kirche unabhängige politische Macht zu legitimieren, wurde Reformations-Ikonographie zur staatspolitischen Ikonographie. In diesem Zusammenhang spielte der Kasseler Hof schon früh eine führende Rolle, die mit Landgraf Philipp dem Großmütigen einsetzte.
Bei den Vorbereitungen zu der vom Weserrenaissance-Museum Schloß Brake und den Staalichen Museen Kassel gemeinsam gezeigten Ausstellung "Moritz der Gelehrte - Ein Renaissancefürst in Europa" tauchte 1997 eine kleine Schrift auf, die sich bei näherem Hinsehen als eine interessante Quelle zur Geschichte der höfischen Marlerei um 1600 erwies. Auf mehr als zweihundert Druckseiten (S. 141-236) beschreibt und interpretiert der Kasseler Jurist und Theologe Hermann Fabronius die unbekannte Bildausstattung des Schlosses Eschwege an der Werra. Der Quellentext des vorliegenden Bandes wird in Kapitel 1 "Unbekannte Seiten des Bildersturms - Moritz der Gelehrte, die Bilder in Schloß Eschwege und die vergesse Ikonographie des Calvinismus" von Heiner Borggrefe erläutert, während Thomas Fusenig sich im folgenden Beitrag der Bildausstattung von Schloß Eschwege annimmt. Da es sich um ein seltenes Beispiel der zeitgenössischen Deutung höfischer Ikonographie handelt, weist der Erkenntniswert der Quelle weit über das Eschweger Bildprogramm hinaus. Mit der Publikation geben die Autoren der kunstgeschichtlichen Forschung ein ikonographisches Kompendium zur zentral- und nordeuropäischen höfischen Malerei des späten sechzehnten und frühen siebzehnten Jahrhunderts an die Hand.
Der vorliegende Band vermag keineswegs Antworten auf alle mit der protestantischen Hofikonographie verbundenen Fragen zu geben. Wenn es ihm gelingen sollte, jenseits der seit langem behandelten Themen der nordeuropäischen Kunstgeschichte neue Türen zu öffnen, so wäre sein Anliegen erfüllt.
Gabriele Klempert
Ut Pictura Politeia oder der gemalte Fürstenstaat. Moritz der Gelehrte und das Bildprogramm in Eschwege. Hrsg. v. Borggrefe /Fusenig /Kümmel. 2000. 248 S., 54 Abb. - 24 x 17 cm. (Studien z. Kultur d. Renaiss. 1) Gb DEM 58,-
ISBN 3-89445-280-3
 
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