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GrenzgÀnge in SchwebezustÀnden

Lange diente die Malerei C.D. Friedrichs der Mythologisierung des melancholisch gesinnten KĂŒnstlers und EinzelgĂ€ngers, der seiner Devise, man solle das malen, was man "in sich sieht" so einzigartig visionĂ€re Formen verlieh. Auch Werner Hofmann, dessen 1974 veranstaltete Friedrich-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle Furore machte, widmet sich mit scharfsinnigen und detaillierten Bildanalysen erneut dem Mythos Friedrich - allerdings nicht, um diesen zu "entlarven", sondern um ihn - vor dem Hintergrund gegenwĂ€rtiger Erfahrung - in vielen Beziehungen transparent werden zu lassen. So nahe wie in Hofmanns Darstellung ist uns Friedrich noch nicht begegnet.

Hofmann nĂ€hert sich C.D. Friedrich auf unterschiedlichsten Wegen. Ausgehend von der Frage "Wohin gehört Friedrich heute" steckt der Autor zunĂ€chst den weiten geistesgeschichtlichen Problemhorizont ab, in dem "Der Maler in seiner Zeit" agierte. PrĂ€gnant und treffsicher beschreibt Hofmann die bei Friedrich spĂŒrbar werdende Bedeutungssteigerung und Aufwertung der Landschaft zur Ikone; Hofmanns Interesse gilt, wie schon in frĂŒhren Arbeiten, gerade den paradoxen SchwellenphĂ€nomenen der Mehrsinnigkeit, die Erfahrung von gegenlĂ€ufigen KontrastphĂ€nomenen und den eigentĂŒmlichen "SchwebezustĂ€nden", die Hofmann - Friedrichs Zeitgenossen Chateaubriand zitierend - in jeweils wechselnden WerkzusammenhĂ€ngen aufspĂŒrt und ihre WidersprĂŒchlichkeit darstellt. Zu den Leistungen der Darstellung Hofmanns zĂ€hlt vor allem, dass die ZusammenhĂ€nge des Auseinanderfallens zwischen Glauben und Wissen, von Diesseits- und Jenseitserfahrungen geschildert werden und dieser Prozeß als eine komplexe Syntheseleistung formuliert wird. Friedrich, der sich in Hofmanns Sicht im "Kreidefelsen auf RĂŒgen" selbst als einer darstellt, der der NĂ€he verbunden ist und als ein anderer, der den Blick in die Ferne riskiert, nimmt mit diesem Doppelblick Tendenzen der Unbestimmtheit kommender Zeiten vorweg. Dass sich dabei die Weltsicht Friedrichs von derjenigen des Autors nur graduell unterscheidet, liegt in der kontextuell realisierten "Optik" und den mehrfach genutzten Darstellungsebenen in Hofmanns Text begrĂŒndet. NĂ€he und Ferne werden ebenso wie rĂ€umliche Distanz und zeitlose Unbestimmtheit im Werk Friedrichs und im Text des Autors als Ă€sthetische Wechselbeziehungen beobachtet, deren Markierungen tiefe Einblicke in einen historischen Raum ermöglichen. Innerhalb Hofmanns hĂ€ufig wechselnden ErzĂ€hl- und Darstellungsperspektiven entsteht so das spannungsvolle Portrait des deutschen Romantikers, der in einer Zeit des radikalen Umbruchs lebte und arbeitete und in der Lage war, die Ambivalenzen seiner Zeit mit den Visionen seiner gemalten RĂ€ume zu verschrĂ€nken.

Friedrich, so Werner Hofmann gegen Ende seiner eleganten Synthese aus ErzĂ€hlung, Reflexion und kontextueller Darstellung, stelle in seinem "Mönch am Meer" gerade nicht "Weltvertrauen" (S. 237) her, sondern erfinde eher umgekehrt die Möglichkeit, die eigene EntrĂŒckung darzustellen. Nicht nur an dieser Stelle wird deutlich, wie auf- und anregend es sein kann, wenn der Kunsthistoriker sich als interdisziplinĂ€rerer GrenzgĂ€nger versteht und sich buchstĂ€blich in den BildrĂ€umen des KĂŒnstlers aufhĂ€lt, der „letztlich in formalen Beziehungen dachte und kombinierte" (S. 240).
Michael Kröger
Hofmann, Werner: Caspar David Friedrich. Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit. 2000. 298 S., 192 meist fb. Abb., C. H. Beck, MĂŒnchen 2000. Ln EUR 76,00
ISBN 3-406-46475-0   [C. H. Beck]
 
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