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Der Kosmos des Peter Flötner

Nach der grundlegenden, 1897 von Konrad Lange geschriebenen ersten Biografie über Peter Flötner (?-1546), die seiner Wiederentdeckung gleichkam, hat nun Barbara Dienst mit ihrer Dissertation über den "Kosmos des Peter Flötner" erneut eine Monografie über diesen Inbegriff des deutschen Renaissancekünstlers der Generation nach Dürer geschrieben. Bislang noch immer als der große Unbekannte gehandelt, gelingt es ihr nun mit unprätentiösen gründlichen Analysen, die künstlerische Persönlichkeit Peter Flötners herauszupräparieren. Anstatt ein trockenes Werkverzeichnis abzuliefern, stellt sie auf über sechshundert Seiten einen dennoch kurzweiligen Parcours durch die reiche Bild- und Ideenwelt des Künstlers zusammen.
Gleich eingangs räumt Barbara Dienst zugunsten einer strengen Quellenexegese mit alten Mythen auf, wie einer angeblichen Schweizer Herkunft. Dann fächert sie anhand von 60-70 von Flötner stammenden Werken und verschiedenen Zuschreibungen sowie mit gattungsübergreifenden Betrachtungen verschiedene Themenkomplexe eines ungewöhnlich vielfältigen Werkes auf. Ihr Augenmerk gilt dabei nicht so sehr den stilistischen Neuerungen des "Trendsetter des Dekors" unter dem Einfluss der Renaissance. Stattdessen hebt Dienst auf seine inhaltliche Bildwelt und individuellen Formschöpfungen ab: Dort wird Flötner als sinnenfroher und geistreicher Lustmensch dargestellt, der ironische Anspielungen auf tabuisierte Themen der (Homo-) Sexualität abgibt. Angesicht der mangelnden Bildtradition wird sein Innovationspotential an weltlichen, christlichen und mythologischen Themen deutlich gemacht. Barbara Dienst zeigt ihn aber auch als Kommentator der historischen Ereignisse seiner Zeit und geht davon aus, dass in seinem historischen Bewusstsein Ereignisse wie die Entdeckung von Amerika, Erfindungen wie der Behaimsche Globus und neue naturwissenschaftlichen Erkenntnisse des Kopernikus verankert waren. Auch setzt sie bei ihm eine gewisse humanistische Bildung, zumindest über seine Auftraggeber vermittelte Kenntnisse der damals durchaus sehr verbreiteten antiken Literatur voraus. Wenn er aufgrund dieses geistigen Hintergrundes die Strategie der oftmals respektlosen Trivialisierung verwendet, wenn er hochbrisante Themen ohne Pathos, in karg ausgestatteten Bildräumen, mit prägnanten Gesten seiner Gestalten und grotesken Beigaben wie Kothaufen und mannsgroßen Würsten inszeniert, klingt ein skeptischer bis polemischer Unterton an, der seinen eigenen intellektuellen Abstand gegenüber einer paradox empfundenen Wirklichkeit aufzeigt.
Die Antike dient ihm insofern nur als Formen-Lager. Sie synthetisiert er mit volkstümlichen Sinnbildern zu komplexen Allegorien, die neuartige, von der italienischen, aber auch von den deutschen Zentren der Renaissance unabhängige inhaltliche Interpretationen darstellen.
Annegret Winter
Dienst, Barbara: Der Kosmos des Peter Flötner. Eine Bildwelt der Renaissance in Deutschland. 2001. 624 S., 308 sw.Abb. 26 x 19 cm. (Kunstwiss. Stud. 90) Ln EUR 68,00
ISBN 3-422-06330-7
 
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