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Der mittelalterliche Baubetrieb

Beim Anblick so gewaltiger Bauwerke wie des Kölner Domes oder der Münster von Ulm oder Straßburg stellt man sich unweigerlich die Frage, wie so gewaltige Steinmassen aus zum Teil tonnenschweren Werkstücken, Quadern und Schmucksteinen ohne moderne Maschinen dorthin gelangt sind, wo sie sich heute befinden. Mit welchen Werkzeugen hat man sie bearbeitet und transportiert? Über welche technischen Hilfsmittel verfügten Architekt und Werkmeister? Wie sahen die Gerüste aus und welche Hebevorrichtungen brachten schwere Steine nach oben? Welche sonstigen Werkzeuge und Transportmittel waren notwendig, um Baumaterialien herzustellen und zu transportieren?
Günther Binding, einer der anerkanntesten Experten auf diesem Gebiet, ist diesen Fragen seit Jahrzehnten auf der Spur. Mit seinen Mitarbeitern am Kunsthistorischen Institut der Uni Köln hat er einen inzwischen 900 Nummern umfassenden Katalog zeitgenössischer Abbildungen des mittelalterlichen Baubetriebs zusammengetragen, der bereits 1972 erstmals veröffentlicht wurde. Der Großteil, der in Umrißzeichnungen wiedergegebenen Darstellungen, stammt aus Handschriften, die in der Zeit zwischen 1200 und 1500 entstanden sind. Ein kleiner Teil wurde Grabmälern, spätmittelalterlichen Gemälden, Fresken oder der Bauplastik entnommen.
Der mittelalterliche Bauherr sah sich mit Salomo gleichgestellt, der den Tempel errichtet hat. Alle Teile des Baues entsprechen in der zeitgenössischen Vorstellungswelt Begriffen aus dem Christentum. So hat die Mauer der Kirche ihr Fundament in Christus und jeder Stein der Mauer ist mit einem Heiligen gleichzusetzen. Da sich die Kirche bis zum jüngsten Tag im Aufbau befindet, ist es auch der Vorgang des Bauens Wert, zur Verherrlichung Gottes dargestellt zu werden. Diesem Umstand verdanken wird die vielen Bauzeichnungen, die zum Großteil in klösterlichen Skriptorien entstanden sind.
Nach einer kurzen Einleitung zur Bedeutung der mittelalterlichen Darstellungen im Kontext ihrer Entstehung, einer einschlägigen Literaturliste und der Erklärung der wichtigsten Werkzeuge und Geräte des mittelalterlichen Baumeisters, folgt der Katalogteil. Werkzeuge des Zimmermanns, wie Breitbeil, Hobel und die verschiedenen Arten von Sägen, die zu Bearbeitung des Bauholzes genutzt wurden, finden sich hier neben den Arbeitsmitteln der Maurer und Steinmetze wie Kelle, Spitzfläche, Lot, Winkel, Zirkel und Schablone.
Häufig werden auch die zum Materialtransport notwendigen Gerätschaften, wie Mulde, Trage und Karre oder die verschiedenen Formen des Lastenaufzugs von den zeitgenössischen Künstlern wiedergegeben. Kompliziertere Vorgänge wie der Fundamentbau, die Vermessung des Baustelle oder etwa der Bau von Lehrgerüsten sind dagegen offenbar nicht Objekt künstlerischer Auseinandersetzung.
Die Ordnung der Abbildungen erfolgt nach dem derzeitigen Lagerort des Originals, so sind z.B. die berühmten Federzeichnungen aus dem Kloster Schönau bei Heidelberg unter Nürnberg zu finden, da sie sich dort im Germanischen Nationalmuseum befinden. Entstehungsort, Autor oder Alter der Darstellungen werden als Ordnungskriterium leider nicht berücksichtigt, was die gezielte Suche etwas erschwert.
Jede Katalognummer beinhaltet den aktuellen Standort des Originals, seine Bezeichnung und seinen Entstehungsort. Alle dargestellten Werkzeuge und Gerätschaften sind zusätzlich vermerkt. Außerdem wird direkt auf die weiterführende Literatur verwiesen. Ein Index erschließt für jedes Werkzeug alle Katalognummern, in denen dieses dargestellt ist. Nur gut, dass uns die Darstellungen nicht so deutlich vor Augen führen, mit welchen Mühen und Gefahren die Arbeit auf einer mittelalterlichen Baustelle verbunden war.

Stefan Huppertz-Wild
Binding, Günther: Der mittelalterliche Baubetrieb in zeitgenössischen Abbildungen. 2001. 208 S., 673 Abb. - 21 x 22,5 cm. Pp DM 64,-
ISBN 3-8062-1634-7
 
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