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Heinrich Dreber - Der Zeichner

Den Zeichner und Maler Heinrich Dreber (1822 – 1875) nicht zu kennen, ist keine Schande. Sein Werk ist schon lange nicht mehr in Ausstellungen oder Museumssammlungen gewürdigt worden und Publikationen sind rar. Die erste und letzte umfassende Monographie, die seine Gemälde in den Vordergrund stellte, erschien vor 80 Jahren. Heute werden Drebers idealisierende, von mythischen Figuren oder Hirten bevölkerte Landschaften allenfalls noch als Vorläufer der Kunst eines Arnold Böcklin beachtet. Ihren Reiz beziehen diese Landschaften aus dem intensiven Naturstudium Drebers in den beliebten Landschaften Mittelitaliens. Aber anders als seine innovativeren Zeitgenossen, studierte Dreber nicht mit der Ölfarbe vor der Natur den frischen Eindruck des Augenblicks. Vor Ort zeichnete und aquarellierte er „nur“, aber dies mit einer ganz besonderen Intensität der Beobachtung und einer stupenden Begabung, die Strukturen der Natur einzufangen. Diese Zeichnungen waren für ihn zeitlebens lediglich Arbeitsmaterial. Für den heutigen Betrachter vermitteln sie eine Frische des Natureindrucks und ein Gespür für die Wirkung der graphischen Strukturen auf der Fläche des Papiers, die ausgesprochen modern wirken.
Der in Dresden geborene Dreber studierte an der dortigen Akademie bei Ludwig Richter, dessen detailliertes Zeichenstudium vor der Natur er verinnerlichte. Von seinem Lehrer wurde er sicherlich ermutigt, eine kleine Erbschaft, die ihm wirtschaftliche Unabhängigkeit sicherte, 1843 für eine Reise nach Italien zu nutzen, aus der ein lebenslanger Aufenthalt wurde. Nur für gelegentliche Aufträge kam Dreber später wieder nach Deutschland. Im Studium der südlichen Landschaften blühte Drebers Kunst auf. Thomas Herbigs Buch ordnet das zeichnerische Werk und vermittelt das intensive Studium des Künstlers in eindringlichen Betrachtungen. Das intensive Studium der Originalzeichnungen durch den Autor erweist sich als Gewinn auch für den Leser. Dass Herbig nicht aus der Romantikforschung kommt, sondern seinen Blick an den Wegbereitern der Moderne wie Paul Cézanne geschult hat, erweist sich dabei als Glücksfall. Denn die einfühlsamen Analysen der Zeichnungen des Spätromantikers lässt in ihm einen Vorläufer der analytischen Naturbeobachtung eines Cézannes erkennen. So gewinnt der Leser einen frischen Blick auf das Werk Drebers.
Man kann diesen Künstler – nach den Nazarenern und nach seinem Lehrer Richter – einer dritten Generation der italienbegeisterten deutschen Künstler zuordnen, die lange Zeit kaum beachtet wurde. Ihre Kunst war kein Meilenstein in der Innovationsgeschichte der Landschaftsmalerei, die meist nur als der Weg zu einem neuen Bild und damit als Weg in die Abstraktion des 20. Jahrhunderts angesehen wurde. Dass diese dritte Generation eine besonders empfindsame Begeisterung für die Natur hatte, geriet darüber in Vergessenheit. Das Verständnis hierfür wieder zu erschließen, ist ein Gewinn für den heutigen Leser, auch wenn er sich nicht gleich aufmachen kann, um die Originale selbst in die Hand zu nehmen. Die graphischen Sammlungen der deutschen Museen sind doch leider sehr verborgen.
Dass diese mit hervorragenden Farbabbildungen ausgestattete Monographie im aufstrebenden Verlag einer Kunsthandlung erscheint, ist bemerkenswert. Die Frankfurter Kunsthandlung Fichter ist in den letzten Jahren für ihr Engagement für die vernachlässigte deutsche Druckgraphik des 19. Jahrhunderts aufgefallen. Mit Studien wie dieser zu Dreber baut sie die Grundlagenarbeit weiter aus, die man ansonsten von großen Verlagshäusern in Verbindung mit Universitäten erwarten würde.

02.11.2020
Andreas Strobl
Heinrich Dreber 1822-1875. Der Zeichner. Herbig, Thomas. 192 S. 28,0 x 21,0 cm.
Edition Fichter, Frankfurt 2020. EUR 45,00.
ISBN 978-3-947313-05-1
 
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