KunstbuchAnzeiger - Kunst, Architektur, Fotografie, Design Anzeige Verlag Langewiesche Königstein | Blaue Bücher
[Home] [Epochen] [Rezensionen] [Druckansicht]
Themen
Recherche
Service

[zurück]

Ernst Willers

„Die Kunst des 19. Jahrhunderts war bereits vergessen bevor das Jahrhundert zu Ende war und wurde im Grunde erst vor ganz kurzem wiederentdeckt.“ Dieser komplexe Befund des Kunsthistorikers Florian Illies (in: ders., Gerade war der Himmel noch blau. Texte zur Kunst. Ffm. 2017, S. 122) beschreibt ein merkwürdiges Paradox, das mehr Fragen aufwirft als es Antworten gibt. Wer den schmalen Band des Kunsthistorikers und Germanisten Jörg Deuter studiert, der begegnet in der Figur des Landschaftsmalers Ernst Willers (1802-1880) einem solchen Vergessenen, dessen Leben und Wirken erst seit 2003 mit mehreren Ausstellungen wieder entdeckt wird. Deuter gelingt es mühelos die bislang kaum ernsthaft erforschte Lebensgeschichte Willers´ mit einem aktuellen Blick auf die Innovationen der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts zu verknüpfen. Willers, der ab 1823 die Kunstakademie in Düsseldorf und später in Dresden studierte, gilt Deuter „als Entdecker der norddeutschen Urwaldlandschaft“, die er in der Nähe von Oldenburg entdeckte. Seit 1835 in Italien ansässig entwickelt Willers eine antiklassizistische Sicht – die Natur wird nicht als Form gewordene Komposition aus Bildelementen, sondern als frischer lebendiger Ausschnitt einer unverwechselbaren Realität inszeniert. Die ältere Malerei idyllischer und arkadischer Motive ersetzt Willers durch die bewusste Abkehr von heroischen Pathosformeln. Deuter versteht diese Distanzierung von der Tradition der Ideallandschaft im Kontext einer historischen Reaktion auf die politischen Entwicklungen seit 1848. Er interpretiert Ernst Willers als „traditionsorientierten Neuerer“ der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts und leistet so ein nicht zu unterschätzendes Stück Erinnerungsarbeit eines lange vergessenen Kapitels der Kunstgeschichte des vorletzten Jahrhunderts. In einer Gegenwart, in der inzwischen auch in Ausstellungen gerade die zukünftige, durch Menschen irreversibel transformierte Natur, das Zeitalter des „Anthropozän“, beschworen wird, ist Deuters Beitrag ebenso instruktiv wie er auch unserer heutigen Sicht auf das 19. Jahrhundert einen aktuellen geistigen Horizont verleiht.

07.12.2017
Michael Kröger
Ernst Willers. Ein Beitrag zur Geschichte der Landschaftsmalerei. Deuter, Jörg. 2017. 72 S. meist fb. Abb. 21 x 15 cm. Pb. Laugwitz, U Verlag, Buchholz in der Nordheide 2017. EUR 12,00.
ISBN 978-3-933077-50-9
 
© 2003 Verlag Langewiesche [Impressum] [Nutzungsbedingungen]