KunstbuchAnzeiger - Kunst, Architektur, Fotografie, Design Anzeige Verlag Langewiesche Königstein | Blaue Bücher
[Home] [Epochen] [Rezensionen] [Druckansicht]
Themen
Recherche
Service

[zurück]

Hieronymus Bosch – Das vollständige Werk

Anläßlich der Ausstellung im Noordbrabants Museum zu s’Hertogenbosch legt der Kölner Verlag Taschen den vor drei Jahren erstmals erschienenen Band „Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk“ neu auf. Das ist gut und richtig. Denn schon damals war der Kunsthistoriker Stefan Fischer, der vor einigen Jahren über Bosch promoviert wurde, eine gute Wahl. Er schreibt frisch, direkt, gut lesbar. Er hält eine Balance zwischen Bildbeschreibung, Erläuterung des Entstehungszusammenhangs, der Kulturgeschichte und der Interpretation der Werke. Er verarbeitet die Anregungen der Forschung, dies immer auf dem neuesten Stand. Und er hat gleichzeitig eine dezidiert eigene Meinung. Das Buch ist in seiner Konzeption als Einführung in das Werk Boschs gut strukturiert (auf den Essayteil folgt der Katalogteil der Werke Boschs und seiner Nachfolge). Es lässt sich vom unbeleckten Leser genauso verstehen, wie vom Fachmann. Die Abbildungsqualität ist hervorragend, die Bildfülle so üppig, dass man sich reinlegen möchte. Und preislich gibt es auch nichts zu meckern. Was also will man mehr?
Um hier etwas zu kritisieren müsste man entweder in den Krümeln suchen – oder Bosch-Experte sein. Denn die Bosch-Experten haben sich in den letzten dreißig Jahren zu einer eigenen Kaste innerhalb der Kunstgeschichte entwickelt, die sich mit ihren Ansätzen und Deutungsversuchen immer wieder widersprochen haben – bis hin zur Negation anderer Positionen. Dies im Hinterkopf liest sich Fischers Text erstaunlich selbstsicher und geschmeidig – er liest sich aber auch Transparent, denn Fischer weist immer wieder, entweder explizit oder durch Moduswechsel, auf Widersprüche zu seiner eigenen Auffassung hin und offenbart damit, dass er sich auf einem umkämpften Terrain bewegt.
Auch das weitere Umfeld des Malers und Maleratelierbesitzers Bosch kommt nicht zu kurz, wenngleich das Buch, dem monographischen Thema gemäß, stark auf den Brabanter Meister zugespitzt ist. So werden Boschs Bildfindungen mit den Miniaturen der Buchmalerei verglichen, aus der wohl zahlreiche der Grotesken und Drolerien stammten, die für seine Arbeiten so charakteristisch sind (und von einer regen Nachfolge eifrig kopiert und kompiliert wurden). Auch die altniederländische Malerei von van Eyck bis van der Weyden, der Blick nach Deutschland (Dürer) und Italien sind immer wieder von Belang, entweder, um Bosch als Meister der Anti-idealistischen von den Strömungen des Humanismus und der Renaissance abzusetzen oder eben gerade um zu zeigen, dass hier eine gleichsam reziproke, ins nordeuropäisch-moralische gewendete Renaissance-Rezeption ganz eigener Art vorliegt.
Angesichts der vielstimmigen Bosch-Exegese, die vor allem von Deutschland, den Niederlanden und Belgien, von Amerika und von Spanien aus (wo sich die meisten Werke Boschs befinden) betrieben wird, kann man sagen: Es lohnt sich, neben Fischer noch einen oder mehrere weitere Bände zu Bosch zu konsultieren. Aber um einen Zugang zu seinem Werk zu finden ist dieser Band prima geeignet. Man wird daher, nachdem man sich mit seinen publizistischen Konkurrenten, die zumal im laufenden Bosch-Jubiläumsjahr wie Pilze aus dem Boden schießen, auf dieses Buch auch dann immer wieder zurückgreifen, wenn man längst tiefer in Boschs Welt eingedrungen ist.

24.04.2016
Christian Welzbacher
Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk. Fischer, Stefan. 300 S. Taschen Verlag, Köln 2016. EUR 29,99. CHF 39,90
ISBN 978-3-8365-3831-2
 
© 2003 Verlag Langewiesche [Impressum] [Nutzungsbedingungen]