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Villa Garten Landschaft. Stadt und Land in der florentinischen Toskana

Die Stadt Florenz und das nahe Umland waren im 14. und 15. Jahrhundert eng miteinander verbunden. Stadtbewohner machten neue Erfahrungen mit der Natur und wurden von ihr geprägt.
Viele Stadtbürger von Florenz verbrachten in der florentinischen Toskana mehrere Monate im Jahr. Ihre Villen und Gärten bildeten für die Mittelschicht von Kaufleuten und Tuchfabrikanten, Notaren oder Bankiers einen Rückzugsort.
Die politische und wirtschaftliche Aneignung dieser stadtnahen, gewachsenen Kulturlandschaft, bekannt unter dem Begriff „contado“, bewirkte nicht nur eine gesteigerte Wahrnehmung der Natur, in deren Folge z. B. Pflanzen und Früchte Aufnahme in die Bilderwelt fanden, sondern beeinflusste auch das wissenschaftliche Interesse an ihr.
Eine weitere Folge der engen Verbindung zwischen Stadt und Land war eine veränderte Wahrnehmung des Raumes. Eine neue, mathematisch ausgerichtete Sehtheorie führte zur Bildtheorie der linearen Perspektive und förderte die Entwicklung perspektivischer Raumkonzepte.
Abgesehen von einem sich etablierenden Bankensystem, das der Mittelschicht erlaubte im Florentiner Umland relativ leicht Grund und Boden zu erwerben, bildete „die Villa“ einen komfortablen Rückzugsort paradiesischer Vorstellung und heiler Welt. Man pflegte nicht nur die Felder, sondern auch die Seele. Die Villa und ihr Garten werden zum Idealtyp der Zeit und Ausdruck von Selbstdarstellung und bürgerlicher Emanzipation.
Die Leitidee, von Leben und Arbeiten, von Beschaulichkeit und Tätigkeit, war während der toskanischen Renaissance geprägt von geisteswissenschaftlichen und sozialhistorischen Einflüssen und war dennoch ein labiles Gleichgewicht zwischen humanistischem Ideal und wirtschaftlichen Interessen. Letztere befanden sich ab dem 16. Jahrhundert wieder auf dem Rückzug.
Jenseits einer Kunstgeschichte als Herrschaftsgeschichte werden in diesem Buch die Villen und Gärten von Florentiner Familien – neben denen der Medici – und anonyme Architekturen präsentiert, Raumkonzeptionen, Lage und Aussicht der Villen und Gestaltung der Gärten, ergänzt mit zeitgenössischen Texten zum Leben auf dem Land, literarischen Zeugnissen und den bildnerischen Werken des 14. und 15. Jahrhunderts.
Nicht zuletzt laden die dargestellten Florentiner Villen und Gärten zu Erkundungsfahrten ein oder lassen vor dem geistigen Auge des Lesers eine glückliche Symbiose merkantiler Geschäftigkeit und paradiesischer Beschaulichkeit entstehen. Dass dies dem florentinischem „Mittelstand“ vergönnt gewesen sein soll, wäre allerdings mit einer wissenschaftlich erforschten Einkommensstatistik der Zeit und unserem heutigen Begriff von „Mittelstand“ noch zu klären.
Dieses hier vorgestellte Buch ist zwar eine wissenschaftliche Arbeit, dennoch liest es sich leicht und fĂĽhrt den Geist auf angenehme Weise spazieren in eine Region, wo bis heute die Zitronen blĂĽhen.

11.03.2013
Gabriele Klempert
Bertsch, Christoph. Villa Garten Landschaft. Stadt und Land in der florentinischen Toskana als ästhetischer und politischer Raum. Mit einem Katalog ausgewählter Florentiner Gärten und Villen sowie Pflanzenfotografien aus dem Gartenarchiv von Lois Weinberger.. Vorwort von Zangheri, Luigi; Abb. von Weinberger, Lois. 319 S. 122 Abb. davon 52 fb.. 21 x 14 cm. Gb. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2012. EUR 24,95. CHF 35,90
ISBN 978-3-7861-2674-4   [Gebr. Mann Verlag]
 
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