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Antike im Labor

Vom Göttertrank zur Henkersmahlzeit – Neue Sichtweisen auf antikes Leben
„Methusalix: Du kennst mich, ich hab‘ nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden da sind nicht von hier! Asterix Vol. XXI, Das Geschenk CĂ€sars“

Wer ein Kapitel ĂŒber die Wanderschaft von Genen mit einem solchen Zitat beginnt, muss Humor haben. Stephan Berry entdeckt zumindest in Themen Witz, die andere fĂŒr staubtrocken halten. Der studierte Chemiker lebt als freier Wissenschaftsautor in Berlin und legte zuletzt ein populĂ€rwissenschaftliches Buch zum Innenleben der Zelle vor. Außerdem bastelt er gern historische Dioramen (http://www.stephan-berry.de/model.html) und interessiert sich fĂŒr den Alltag der Antike. Berry beleuchtet in seinem neusten Sachbuch die Welt des Altertums rund um das Mittelmeer an exemplarischen Beispielen. Wie kann die ErnĂ€hrung des antiken Menschen rekonstruiert werden, wo waren seine HĂ€fen und Handelsrouten, rauchte er etwa Zigarren und warum fĂ€lschte er MĂŒnzen?
Das Buch soll einen Überblick der möglichen Verfahren fĂŒr historisch und archĂ€ologisch interessierte Leser bieten – das gelingt tatsĂ€chlich. Spannend und salopp zugleich schwenkt Berry z.B. den Focus von Brot und Wein auf die Radiocarbondatierung und erzĂ€hlt, warum das Grab des vermutlichen König Midas, der um 700 v.Chr. lebte, so wertvoll ist. „Es fanden sich nĂ€mlich Reste des Totenmahls, die sich analysieren ließen. Demnach wurde bei diesem Anlass gegrilltes und gut gewĂŒrztes Fleisch von Ziege oder Schaf gereicht, zusammen mit HĂŒlsenfrĂŒchten.“ Aber es ließ sich aus den Bronzekesseln auch ein Rest des GetrĂ€nkes nachweisen, das aus Wein, Met und Bier bestand, wie es in der Ilias und der Odyssee Homers beschrieben wurde. Dieses von Homer kykeon genannte GetrĂ€nk, mit welchem sich die Göttin Demeter stĂ€rkte, wurde inzwischen auch in anderen GefĂ€ĂŸen nachgewiesen und von einer amerikanischen Brauerei nachgebraut. „Midas Touch Golden Elixier“ heißt das kĂ€ufliche Wunderwasser und soll Noten von Honig, Safran, Melone und Biskuit enthalten.
Weiter erzĂ€hlt uns Berry, warum Google Earth recht nĂŒtzlich fĂŒr die ArchĂ€ologie sein kann und schwenkt nach BegriffserklĂ€rungen wie Georadar und Geoelektrik zum Feuerwerk. Wussten Sie, dass alle Gattungen des Homo 
 bereits seit 800 tausend Jahren mit Feuer hantieren? Über antike Seuchen und Umweltfrevel, widerlegte Klischees wie die Bleivergiftung der Römer durch ihre Wasserleitungen, Erdbeben und Tsunamis und die richtige Einordnung von VulkanausbrĂŒchen schreibt Berry weiter. Was hatte das Klima mit Eroberungen und Völkerwanderungen zu tun? Und wieso hĂ€tte Japan vor dem verheerenden Tsunami im letzten Jahr gewarnt sein sollen? Stephan Berry ist ein unterhaltsamer wie tiefgrĂŒndiger Ausflug in die antike Lebenswelt und die Möglichkeiten ihrer Interpretation gelungen, auf dem aktuellen Wissens- und Forschungsstand.

Fazit: besonders wertvoll!

04.06.2012
Anne Hahn
Stephan Berry, Antike im Labor, Kleopatra, Ötzi und die modernen Naturwissenschaften, 160 S. 24 x 17 cm, Gb. Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt Mainz 2012, EUR 29,90
ISBN 978-3-8053-4450-0
 
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