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Christian Leberecht Vogel - Ein sächsischer Meister der Empfindsamkeit

Das Oeuvre Christian Leberecht Vogels war lange dem Schaffen seines Sohnes Carl Christian Vogel von Vogelstein nachgeordnet, der ihm als Historienmaler und vor allem als Porträtist den Rang abgelaufen zu haben schien: Ein Pictograph der Romantiker von Jean Paul bis zu Berthel Thorvaldsen, Gastgeber des David d´Angers in Dresden, der in seinem Atelier Tieck modellierte (Vogel von Vogelstein hat die Szene festgehalten) und dessen geistige Welt die Dresdener Romantik um König Johann von Sachsen war.

Was konnte der Vater schon dagegen aufbieten? Und so blieb sein Oeuvre dort, wo es erwähnt wurde, dem des Sohnes nachgeordnet, auch rein chronologisch, was schon verwundert, aber vorkommt, wie etwa in Hans-Joachim Neidhardts berühmter Darstellung der Dresdener Romantik. Er schien mit vorzubereiten, was dann weltberühmt werden sollte, schien anzubahnen, was seinen Höhepunkt in der norddeutschen Romantik, zumal in den Porträts Philipp Otto Runges findet. Diese Sicht auf Christian Leberecht Vogel ist ungerecht.
Nun scheinen sich die Talente auszutarieren. Vater und Sohn rücken in ein Gleichgewicht. Der von Gerd-Helge Vogel herausgegebene Band folgt einer bereits 2006 erschienenen Edition der Werke Vogels d.Ä. vom selben Herausgeber und dem Vogel-Nachfahren Hermann Vogel von Vogelstein.

Zwar ist er ein Maler des Übergangs von der noch stark auf Licht und Sentiment abgestellten Malerei des Rokoko, die sich bereits mit klassischer Attitüde verbindet, aber sein Schaffen weist Züge auf, die in dieser Form und zu dieser Zeit in der deutschen Malerei eher ungewöhnlich, wenn nicht sogar einmalig sind. Vogel ist: Vor allem in seinen zeitlich erheblich vor der Romantik liegenden Kinderbildnissen und –Szenen erweist er sich als erstaunlich eigenständig. (Bildnis des Sohnes Carl, um 1795, Kunstsammlungen Chemnitz) Hier streift er die manchmal an Greuze gemahnende Lieblichkeit seiner Auftragsporträts ab und verliert das zumeist an den sächsischen Adel gerichtete Anmutig-Schöne mancher Standesporträts, die gleichwohl höchst beachtlich bleiben. Denn auch unter den offiziellen Porträts sind Werke zu verzeichnen, die sich als gleichrangig in einer Entwicklungslinie des Bildnisses behaupten, ja die sich als Hauptwerke einer solchen Reihe in der deutschen Geschichte des Porträts sicherlich noch durchsetzen werden: So ist etwa das um 1814/15 gemalte Doppelbildnis der Auguste Gräfin zu Solms-Wildenfels mit ihrem Sohn Friedrich Magnus III. (Städtische Museen Zwickau, Umschlagbild) ein eindrucksvolles Beispiel der Verknüpfung englischer Einflüsse mit den Vorstellungen der im entlegenen Zwickauer Muldenland spät ausklingenden Empfindsamkeit. Allerdings klingt hier ein anderer Faktor an, der zum Vergessenwerden Vogels beigetragen haben dürfte: Die von ihm Dargestellten sind zwar Vertreter des sächsischen Hochadels, aber nach Herrschaftsgebiet und persönlicher Leistung so gut wie unbekannt. Anders als bei den Bildnissen seines Sohnes hatte Vogel, zumal während seiner fast 25jährigen Tätigkeit als Hofmaler des Hauses Wildenfels (1780 – 1804), nicht das Glück, wirklich prominente oder überzeitlich interessierende Persönlichkeiten porträtieren zu können.
Auch während seiner Lehrtätigkeit an der Akademie der Künste in Dresden sind Vogel eindrucksvolle Darstellungen, zumal von Kindern und Heranwachsenden, geglückt, so etwa „Knabe mit Käfig und Vogel“ (Lindenau-Museum, Altenburg um 1812). Schon aufgrund dieser Stärke dürfte er als Kunsterzieher und Mentor von an der Dresdener Kunstakademie ausgebildeten Romantikern eine bedeutende Mittlerrolle für Porträtkunst besessen haben. Sein ausgeprägter Sinn für das Koloristische und die Einbeziehung einer mitunter noch altmeisterlich wirkenden Licht-Dramaturgie kommen derartigen Bildern zugute, denn auch in Lichtführung und Hintergrundgestaltung scheint das englische Vorbild eines Josuah Reynolds etwa deutlich auf. (Georg Albert Graf von Einsiedel als Kind in den Kunstsammlungen Chemnitz, 1804/08)

Als Historienmaler steht Vogel etwas im Schatten seines Porträt- und Kinderbildnisschaffens, scheint aber mit seinem Hauptwerk, dem Logenplafond in Schloss Wildenfels, eine ikonographisch und rezeptionsgeschichtlich hoch interessante Leistung vollbracht zu haben. Diese wird im Buch von Jürgen Ecker vorgestellt. Es handelt sich um zwei nebeneinanderliegende Räume mit relativ kleinen Decken (der größere misst 7,40 auf 4,60 m), die erst in jüngster Zeit restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Ein zwölfeckiges Zimmer sollte die Bibliothek aufnehmen, der durch seine bescheidene Größe eher intime Saal den „Tempel“. Zur Ausstattung verpflichtete Magnus I. von Solms-Wildenfels seinen Hofmaler Christian Leberecht Vogel. Die Decken zeigen den „Kampf der Aurora gegen die Nacht oder Phöbus-Apoll führt den mit vier Rossen bespannten Sonnenwagen am Himmel entlang“ (im Tempel) und „Die drei Grazien“ (in der Bibliothek), die für Anmut, Schönheit und Festesfreude stehen. Ecker untersucht die Farbsymbolik von Weiß, Rot und Rosa, den drei Rosenfarben, die beim Johannisfest, aber auch bei den Trauerfeiern der Freimaurer eine besondere Rolle spielen. An der Decke des Tempels dominieren Recht und Zeit die Szenerie in Gestalt der Charitinen und der Horen. Nachdem die Göttinnen der Stunden die feuerschnaubenden Rosse herbeigeführt haben, lenkt Eos, die Schwester des Helios, sie die steile Himmelsbahn hinauf. Das Rossegespann durchstößt den Zodiakus, in sichtbarem Kreissegment ziehen Fische, Stier, Zwillinge und Krebs vorüber. Das Licht trifft auf zwei Schalen, die wiederum mit weißen, roten und rosafarbenen Blüten gefüllt sind und die Decke nach unten hin begrenzen. Genau unterhalb des Tierkreiszeichens des Krebses stand der Schreibtisch des freimaurerisch den Hammer führenden Meisters vom Stuhl Friedrich Magnus I. von Solms-Wildenfels, der die Komposition beider Deckengemälde ersonnen zu haben scheint. Daß der Zodiakus aus Tiepolos Deckenfresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz entlehnt zu sein scheint, die Quadriga aus dessen Kaisersaal ebendort, sei dem Rezensenten wenigstens zu erwähnen erlaubt. Es zeigt, als wie aktuell dessen Bilderfindung auch fast drei Jahrzehnte nach ihrer Vollendung noch empfunden wurde.

Das höchst kenntnisreiche, weil von Detailwissen getragene Buch beweist einmal mehr, dass bedeutende Kunstwerke der Kunst „um 1800“ auch heute noch im Verborgenen blühen. Es dokumentiert auch, dass die Dezentralisierung Deutschlands in dessen Kleinstaaterei sich für die Nachgeborenen als großer Gewinn entpuppt. Gerd-Helge Vogel ist für sein jahrzehntelanges forschendes und kuratorisches Engagement für die Künstler Christian Leberecht Vogel und Carl Christian Vogel von Vogelstein zu danken, wie ihm überhaupt für seinen Einsatz für entlegene und allgemein gering geschätzte Kulturlandschaften zu danken ist, deren erneute Bewusstmachung wichtiger sein könnte, als sich die „Macher“ der großen internationalen Ausstellungen (auch in der und für die Provinz) vorstellen können. Die handverlesenen, oft mühevoll zusammengetragenen Ausstellungen sogenannter „Kleinmeister“ geben der „Provinz“ das zurück, was sie in Klassizismus und Romantik war und hatte: Ihren Anschluss an einst wirklich praktizierte Internationalität und die ihr eigene, staunend zur Kenntnis genommene Identität..

27.06.2011
Jörg Deuter
Vogel, Gerd H.: Christian Leberecht Vogel. Ein sächsischer Meister der Empfindsamkeit. Redakt.: Lewey, Petra. 152 S. 29 x 23 cm. Gb Stadt Zwickau, 2009. EUR 19,80
ISBN 978-3-933282-31-6
 
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