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Orangeriekultur

„Goldorangen, Lorbeer und Palmen – Orangeriekultur vom 16. bis 19. Jahrhundert“ ist ein Buch für Orangeriebegeisterte und -experten. Wer sich von dem Titel verleiten lässt, einen umfassenden Überblick über das Thema der Orangeriekultur zu bekommen, wird enttäuscht sein. Und das, obwohl im vorliegenden, interdisziplinären Band alle Themenzweige der Orangeriekultur zur Sprache kommen, sei es Architektur, Bepflanzungs- und Pflanzenarten, Pflanzenzucht und -ankauf oder Gärtnerbiographien. In ihrer Unverbundenheit liegt das Problem. Die verschiedenen Aspekte der Orangeriekultur stehen hier nebeneinander, in achtzehn Aufsätzen, ohne zu einer Entwicklung über vier Jahrhunderte zusammengesetzt zu werden, ohne eine erkennbare Gewichtung. Diese zu generieren bleibt der Phantasie und der Kenntnis des Lesers überlassen – und er damit sich selber. Denn das Objekt Buch ist hier nicht als Medium, sondern als Dokumentation verstanden. Es handelt sich um den sechsten Band der Schriftenreihe des Arbeitskreises Orangerien in Deutschland, eine Zusammenfassung der Tagungsbeiträge der letzten vier Arbeitstage und gleichzeitig um eine Festschrift, die dem langjährigen Vorsitzenden des Arbeitskreises, Heinrich Hamann gewidmet ist.

Der Schwerpunkt des Bandes liegt im 19. Jahrhundert, wobei die Pflanzensammlung der Familie Pückler, vor allem die in Bad Muskau geplanten und gebauten Orangerien, mit drei Aufsätzen besonders gewürdigt wird. Es werden bekannte Objekte, die königlichen Gärten in Potsdam, aus neuer Perspektive behandelt: So lernen wir hier etwas über die Versuche, die Kübel der Orangenbäumchen im Erdreich verschwinden zu lassen, um ein natürlicheres Bild zu erhalten. Es werden auch einstmals berühmte, heute vergessene und zerstörte Gärten, wie das Remy’sche Glashaus an der Wiener Hofburg und der Wintergarten Ludwig II. auf der Münchner Residenz vorgestellt, der den bayerischen Alpen eine mittelasiatischen Landschaft mit Blick aufs Himalaya entgegensetzte. Fürs 19. Jahrhundert gibt es einen einleitenden Artikel über die Orangeriearchitektur, der nicht verschweigt, dass die Orangerie eine repräsentative Funktion hat, die aus dem 18. Jahrhundert stammt. Dieses Jahrhundert, das den Garten als Festraum und somit die Orangerie im wahrsten Sinne des Wortes hoffähig machte, wird leider mit einem lesenswerten Aufsatz zur Schleißheimer Orangerie in München und zwei Aufsätzen zu einer wenigen bekannten, für Heinrich Hamanns Arbeit aber wichtige Orangerie in Bendeleben stiefmütterlich behandelt.

Für einen in die Materie eingearbeiteten Leser ist der Band sicherlich von großem Gewinn. Für einen Laien, zu denen sich die Rezensentin selber zählt, ist die fehlende Orientierung durch Gewichtung oder thematischen Einordnungen, die man der politischen Ikonographie zurechnen würde, ein erschwerendes Lesekriterium. Die Texte sind jedoch durchweg verständlich geschrieben, sie sind zwar kleinformatig, doch anschaulich bebildert. Ich möchte dieser kritischen Aspekte zum Trotz daher dennoch wagen, jedem Garten- und Architekturliebhaber zu empfehlen, einen Blick auf diese Expertensammlung zu werfen und sie im eigenen Interesse zu durchforsten: Es gibt bei unserem Arbeitskreis wunderbare Gärten und Gebäude zu entdecken!

02.02.2011
Vera Herzog
Goldorangen, Lorbeer, Palmen. Orangeriekultur vom 16. bis 19. Jahrhundert. Hrsg.: Arbeitskreis Orangerien in Deutschland e. V. 200 S. 21 x 14,8 cm. Pb., Imhof Verlag, Petersberg 2010. EUR 19,95
ISBN 978-3-86568-226-0   [Michael Imhof]
 
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