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Hommage Philip Rosenthal

In den fünfziger Jahren war der Begriff Design noch ein Fremdwort für die breite Masse der Konsumenten. Es galt, den vom Krieg lädierten Haushalt vor allem mit Praktischem aufzurüsten. Schrankwand, Nierentisch, Musiktruhe und Waschmaschine hatten Vorrang im aufblühenden Wirtschaftswunderland. In dieser Situation war schon eine gehörige Portion Mut und Weitblick notwendig, als Unternehmer so zu handeln wie Philip Rosenthal es tat. Mit einer neuen Ästhetik bereicherte er den Alltag von Millionen. Dabei beschränkte sich die Revolution nicht allein auf die Kaffeetafel, und sie erschöpfte sich nicht in zeitgemäßen Formen und Dekoren fürs Essgeschirr. Rosenthals Vision umfasste die ganze Welt des Wohnens vom Möbeldesign bis zur Stadtplanung.
Über hundert Künstler unterstützten den Porzellanfabrikanten bei seinem Anliegen, die Schönheit zu demokratisieren. Bauhausgründer Walter Gropius zählte zu den frühesten Weggefährten. Die Skandinavier Bjørn Winblad und Tapio Wirkkala, schon erfahren in der Zusammenarbeit mit der Industrie, setzten in den fünfziger Jahren die ersten, noch vergleichsweise zaghaften Akzente. Später zeigten selbst Avantgardisten wie Otto Piene, Günther Uecker und Otto Herbert Hajek keine Scheu, ihre Kunst mit dem Kommerz zu liieren.
Im September 2001 starb Philip Rosenthal 84-jährig. Wie ihn Künstler als Impulsgeber und Partner erlebt haben, schildert die knapp hundertseitige Hommage „Mit Kunst leben“, herausgegeben von der Rosenthal AG. Günter Grass zeichnet darin das wohl umfassendste Bild dieses facettenreichen Menschen: „Ästhetisch sensibel, den Künsten zugetan, war er weltläufig einerseits und andererseits jemand, dem die Sorgen und Bedürfnisse seiner Arbeiter und Angestellten bis ins Detail hinein vertraut waren. Seine politischen Ideen waren praktischer Art und erlauben dennoch utopische Ausblicke. Er war jemand, in dessen Gesellschaft kein Thema tabu war und in der sogleich leichthin Heiterkeit aufkommen konnte.“
Biografische Streiflichter machen neugierig auf diesen ungewöhnlichen Menschen, der ausgetretene Pfade mied und dem das Infragestellen alles Tradierten zur zweiten Natur wurde. Philip Rosenthal stützte sich dabei auf einen ungewöhnlich großen Schatz persönlicher Erfahrungen – als Fremdenlegionär, Schweinehirt, Bergsteiger, Sozialpolitiker, Kultur-Mäzen. Nach der Lektüre wird einem schlagartig bewusst, wie sehr man Querdenker seines Kalibers in der aktuellen Riege der Politiker und Wirtschaftsbosse vermisst.
Der reich bebilderten Würdigung liegt auch eine Preisliste der Künstler-Editionen bei. Rosenthal hätte das sicherlich nicht als Entweihung empfunden. Denn, wie sagt doch sein Otto Piene über ihn: „Seine Vision wurde auch deshalb Wahrheit, weil er rechnen konnte…“

Regina Voges
Mit Kunst leben. Hommage Philip Rosenthal. 96 S. 300 z.T. fb. Abb. 30 cm. Pb Parthas, Berlin 2003. EUR 24,80
ISBN 3-932529-92-8
 
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