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Leitfaden für touristische Leitsysteme

↔ Ausgangspunkt

Je weiter die Globalisierung der Welt voranschreitet, desto wichtiger werden Orientierungssysteme. Je wichtiger die Rolle von Orientierungssystemen wird, desto mehr Verantwortung übernehmen alle, die mit der Etablierung solcher Systeme befasst sind. Je mehr Verantwortung alle Entscheidungsträger haben, desto wichtiger wird es, sich unverzichtbares Wissen über Form und Gestaltung von Orientierungssystemen anzueignen. Christian Lunger und Markus Scheiber sind dabei behilflich und bieten für alle Verantwortlichen im Bereich Tourismus einen Leitfaden für Leitsysteme an.

→ Wohin führt der Weg

Beide Autoren kennen als Designer Fragen zu Orientierungssystemen im öffentlichen Raum aus der Praxis. Aus der Erfahrung, dass es an ganzheitlichen Leitsystemen im öffentlichen Raum mangelt, positionierten sie ihre Arbeit als Beitrag für die Praxis, als Handbuch für Auftraggeber. Daher ist es konsequent, Theoretisches auf ein Minimum zu beschränken. In drei Kapiteln unternehmen sie eine tour d’horizon. Auf der ersten Station legen sie notwendige theoretische Grundlagen zu Fragen der Orientierung. Darauf folgt ein Kapitel, das Fragen zum Management und zur Gestaltung von Orientierungssystemen behandelt. Anschaulich werden ihre Erörterungen im dritten Kapitel, das mit „Good Practise“ betitelt wurde und an Beispielen aus aller Welt gelungene Orientierungslösungen zeigt.

→ Wegweiser

Qualität öffentlicher Leitsysteme beginnt damit, dass das notwendige Wissen bei den Verantwortlichen vorhanden ist. Allein schon die Vielzahl der Begrifflichkeiten kann desorientierend wirken. Daher beginnen die Autoren im ersten Kapitel mit knappen Definitionen zu: Signaletik, Signage, Wayfinding / Wayshowing, Leitsystem und Orientierungssystem. Danach geht es weiter mit Abschnitten zu „Was ist Orientierung?“, „Wie Menschen ihre Umwelt lernen“, „Orientierungsstrategien“ und „Orientierung mit allen Sinnen“. Schon in diesem Kapitel wird deutlich: Leitsysteme sind eine internationale Angelegenheit. Nicht überraschend, es wird dabei in Englisch kommuniziert. Daher finden sich etwa im Abschnitt „Orientierungsstrategien“ neue Begrifflichkeiten wie „Aiming“, „Educated Seeking“ ein. Den Autoren gelingt es, alle Punkte in klarer Sprache abzuarbeiten und sie arbeiten interessante Details heraus. So wird deutlich, dass Menschen über das Sehen die meisten Informationen empfangen. Also, spricht alles dafür, Orientierungssysteme danach auszurichten.

→ Abzweigungen

Jeder kennt sie, die vielen Hinweisschilder und Zeichen, die Reisenden begegnen. Wichtig sind diese auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Im zweiten Kapitel weisen die Autoren darauf hin, dass die „richtige Information zum richtigen Zeitpunkt in einer ansprechenden Art und Weise“ für den „Wettbewerb um Gäste“ entscheidend seien. Orientierungssysteme haben neben ihrer Informationsfunktion auch die Aufgabe, die „Identität eines Standortes, eines Projekts oder einer Organisation“ zu vermitteln. In diesem Kapitel, das wie ein Managementlehrbuch aufgebaut ist, übertragen die Autoren dessen Erkenntnisse auf öffentliche Leitsysteme im Bereich Tourismus. Hier erfahren Auftraggeber alles Wissenswerte zur Wahl von Umsetzungspartnern, Nutzergruppenanalyse, Organisation, Beschriftungen, Richtungsanzeigern, Bildführungen, Gestaltung von Karten und Plänen, den Einsatz elektronischer Medien und wie diese Einzelheiten zu einem Gesamtkonzept, das die Autoren als „Ganzheitliche Orientierung“ betiteln, gebündelt werden können. Damit alles anschaulich wird, arbeiten die Autoren mit vielen Bildbeispielen. Jeweils am Buchrand befindet sich dann eine Liste, die jene Aspekte, die für eine gute Praxis wichtig sind, hervorheben, so dass sich jeder einen Überblick verschaffen kann und konkret angeleitet wird.

Kein Leitsystem kommt ohne Piktogramme und Icons, den Verkehrszeichen der Globalisierung, aus. Um Fragen der Gestaltung von Orientierungshilfen dreht sich alles im achten Unterkapitel des zweiten Kapitels, das sich drei Punkten widmet: Welcher Inhalt kommt in welcher Form an welche Stelle. Auch hier heißt es, Ganzheitlichkeit ist oberstes Gebot. Konsistenz, also „gleiche Teile müssen gleich gestaltet sein“ und alle Einzelteile sollen einem übergeordneten Ganzen zugeordnet werden können, ist gefordert. Das bedeutet, ästhetische Widerspruchslosigkeit mit inhaltlicher Logik zu verknüpfen. Wie Wort und Bild passend zusammenkommen demonstrieren die Autoren auch hier an Beispielen. Im Anschluss daran folgt ein Unterkapitel, das sich damit beschäftigt, wie ein Projekt für ein Orientierungssystem abläuft. Die einzelnen Schritte, von der Identifikation bis zur Testphase, einer möglichen Nachjustierung und Fragen zur Wartung – werden gut verständlich abgearbeitet, auch wenn Wissen zum Projektmanagement fehlt. Mit einer Reihe von Spezialthemen, wie „Orientierungshilfen mit GPS“, Fragen zu Parkleitsystemen oder zu „Barrierefreiem Tourismus“ wird dieses Kapitel beschlossen. Das Hauptkontingent der Texte stammt von Lunger / Scheiber, für die Spezialthemen gelang es ihnen, weitere Autoren zu verpflichten, die den klaren Schreibstil der Autoren fortführen.

→ Die Richtung stimmt

Der Bedeutung in sich stimmiger Lösungen für Leitsysteme wird im dritten Kapitel an Beispielen aus den Bereichen: 1) Stadt und Region, 2) Museum, kulturelle Ziele, 3) Park, Garten, Zoo, 4) Hotel, Spa, Kongress, 5) Transport und 6) Sport nochmals verdeutlicht. Die Autoren haben dabei sowohl Beispiele aus Deutschland als auch aus dem Ausland ausgewählt. Diese Abteilung bietet eine beeindruckende Fülle. So überzeugt etwa der Einsatz von Icons im Nationalen Zoologischen Garten in Washington D.C. ebenso wie die Piktogramme in Hamburg, das seine Rolle als Hafencity zum Ausdruck bringt. Zu jedem dieser Beispiele nennen die Autoren den Designer, den / die Auftraggeber, den Ort, das Datum der Fertigstellung und verweisen auf die entsprechenden Seiten im WWW. Ihre These, dass Studien zu diesen Fragen vor allem aus den USA kommen, findet auch Niederschlag in der Praxis. So etablierte der Zoo in Washington ein in sich stimmiges Leitsystem bereits 1975, aber auch in Mexiko, im Museo de Arte Contemporáneo de Monterrey, etablierte man bereits 1990 ein solches System.

Im Bereich des Kongresswesens wird ab Seite 331 etwas Besonderes geboten, denn es geht um ein Beschilderungssystem für den jährlich stattfinden Kongress der Kreativspezialisten. Zwei Aspekte werden an diesem Beispiel thematisiert: es geht um ein temporäres Leitsystem, das in ein bereits bestehendes integriert werden und nach Gebrauch entsorgt werden muß. Die Idee des Designers Masaaki Hiromura ist einfach und genial. Es entstand ein Leitsystem aus Luftballons, an denen die Beschilderung aus Papier als Richtungsweiser aufgehängt wurde.

→ Auf der Zielgeraden

Zum Abschluss haben sich die Autoren nochmals viel Mühe gemacht und einen umfänglichen Serviceteil angehängt: Projekte im Raum, Projekte im Internet, Kontaktdaten mit Hinweisen auf Webseiten, weiterführender Literatur und Abbildungsnachweisen.


↔ Endlich diese Ãœbersicht

Von Mies van der Rohe stammt der Satz, dass die Seele des Ganzen in den Details lebe. Nach diesem Motte bauten die Autoren ihre Übersicht inhaltlich und formal auf. Für jeden Stadtplaner und Ausführenden sollte dieses Buch zur Pflichtlektüre gemacht werden, denn es hilft, auch kostspielige, Umwege bei der Etablierung von Orientierungssystemen zu vermeiden. Es hilft Unübersichtliches zu entfernen und den Nutzer klar zu führen, den vor allem interessiert, Wo finde ich Was rasch. Die Autoren empfehlen sich aber auch formal. Die Gestaltung ihrer Publikationen nahmen sie selbst in die Hand. Die drei Kapitel belegten sie mit drei Farben, die sich am Buchschnitt wiederfinden und so ein rasches Auffinden, ohne das Inhaltsverzeichnis bemühen zu müssen, erleichtern. Innerhalb der einzelnen Abschnitten setzten sie Bild und Text in ein ausgewogenes Verhältnis und arbeiten in den Hierarchieebenen mit unterschiedlichen Schriftgrößen und Schriftarten. Eingestreute Checklisten und Grafiken unterstützen ihr Anliegen, in einer Publikation zu Orientierungssystemen selbst systematisch zu orientieren. Pflichtlektüre klingt langweilig, ist aber hier fehl am Platz. Sie bereiten das Thema überaus spannend auf. Christian Lunger und Markus Scheiber setzen auf Wissensvermittlung und Kompetenzgewinn. Ihre Studie wird Referenzwerk werden und dafür gebührt ihnen und dem Verlag, DOM Publishers, Reverenz.

8.03.2010
Sigrid Gaisreiter
Lunger, Christian /Scheiber, Markus: Orientierung auf Reisen. Touristische Leitsysteme im internationalen Kontext. 300 S., über 350 meist fb. Abb. 28 x 22 cm. DOM publishers, Berlin 2008. EUR 68,00
ISBN 978-3-938666-20-3
 
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