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Holzfachwerk

Als Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der Philosophie (Vorwort) ist diese Werk des Zimmerermeisters und Architekten Johannes Wetzel sozusagen die Summa seines Expertenwissens vom Fachwerk.
Auch wenn die etwas gelahrte Untertitelei etwas anderes vermuten läßt, ist es also kein Leitfaden für die Erhaltung von Fachwerkbauten. Der Autor liefert dafür aber eine Überschau über die fast unübersehbar angeschwollene Literatur: von Arendt bis Zippelius, von Vitruvius bis Großmann. Fachkundig kommentiert, manchmal etwas weitschweifig und nicht ganz ohne Binsenweisheiten: „Die sehr frühe Grundform Beil kommt in der Regel einschneidig, später auch mit doppelter Schneide vor.“ (S. 196). Die Kapitel gelangen von der „Fachwerkgeschichte“ mit „Grundlagen, Mensch und Natur, Anfänge des Bauens, Werden des Holzfachwerks, Holzbautechnik“ bis zum „Fachwerkerhalt“ mit „Begründung zum Fachwerkerhalt, Praxis des Fachwerkerhalts“. Im Anhang dann vier Anlagen: „122 Abbildungen“– der zitierten Fachliteratur in recht kleinem Maßstab entnommen, ein Glossar mit Begriffsdefinition zum Fachwerk, ein Literaturverzeichnis und vier Kurzporträts von „Erhaltungsmaßnahmen“ des Autors. Das regt an und bietet dem Suchenden Verständnishilfe.
Wer ist eigentlich die Zielgruppe dieses Buches? Ein Zitat wie „Am Altbau, zumal dem Holzfachwerk ist dringend anzuraten, daß der planende Architekt auch die heikle Pflicht der Bauüberwachung selbst übernimmt; unter der Voraussetzung selbstverständlich, er versteht einiges vom historischen Holzbau und möglichst von der Zimmerei.“ (S. 333) läßt daran denken, es könnte der Bauherr sein. Dafür gibt es aber eigentlich zu wenige Tipps, wie dieser dann die Nadel im Heuhaufen findet. Wer schützt ihn vor Fachwerkscharlatanerie mit dann doch zu wenig „Verständnis“, die ihm für Wand, Boden und Dach absaufende, schimmelnde und von Wärme arg schnell durchstrahlte „Dämm“-Schäume, -Gespinste, -Flocken und -Preßplatten, lehmnasse Wandverdickung, „Trockenlegung“– gegen niemals aufsteigende Feuchte im Schwellensockel, feuchteeinsperrend hydrophobierte „Sanierputze“, gefachvernichtende oder unzureichende Voruntersuchung und Sanierplanung mit Maximaleingriff, Abbeilung und Totalrückschnitt wurmstichiger Splintbereiche mit normengerechter Vollvergiftung der verbliebenen Holzreste, kondensatfangende Klebedichtfolien, luftverpestende Heiz- und Klimasysteme mit Isofenstern zur erfolgreichen Schimmelzucht und Teuerrekonstruktion zweifelhafter Urzustände aufschwätzt, um sein Haus und seinen Geldbeutel gleichermaßen zu mißhandeln? Die vom Autor als Selbstverständlichkeit angenommenen „Überraschungsschäden“ und kostenträchtige „ad hoc Entscheidungen“ fordern eigentlich weniger die „blitzartige“ Vorstellungskraft des „bauleitenden Architekten“ (S. 334), der solche Mißlichkeiten genau durch gute Voruntersuchung, Planung und Ausschreibung verhindern müßte, sondern die Zahlungsfähigkeit des Bauherrn bis weit über alle Schmerzgrenzen. Zu diesen wichtigen Themenkomplexen der Instandsetzungsqualität und Kostensicherheit läßt der Autor aus seinem reich vorhandenen Erfahrungsschatz etwas zu wenig aufblitzen, um hier dem Bauherrn, aber auch dem Planer wesentliche Hilfestellung zu vermitteln.
Was das Buch dem bildungshungrigen Fachwerkinteressierten freilich wertvoll machen kann, ist eben sein breiter Überblick über die Fachbücher und einschlägigen Periodika. „Die fundierte, spartenübergreifende Darstellung, in dieser Form bisher nicht verfügbar, wird selbst Kenner der Materie in ihrer Gesamtsicht wie in vielen Details überraschen.“ (Umschlag-Rückseite). Das stimmt. Und daß ein Architekt der Tröstungen der Philosophie bedarf, um all die Niederlagen bei der Verteidigung von im Bau ablesbaren „Lebensspuren früherer Zeiten“ (S. 460), Bauherrnkasse und Handwerkskunst zu verkraften, wohl auch.
Konrad Fischer
Johannes Wetzel. Holzfachwerk. Untersuchungen zu einer historischen Holzbauweise, zu ihrer Eigenart und Entwicklung und zur Erhaltung noch bestehender Bauten, 461 S. 122 Abb., (expert), Renningen 2003, EUR 49,-
ISBN 3-8169-2243-0
 
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