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Dehio - Das nördliche Hessen

Er ist zwar mit „Hessen I“ tituliert, erschien jedoch erst ein halbes Jahr nach der Vorstellung von „Hessen II“. Die Rede ist vom „Dehio“, dem Standardwerk zu den deutschen Kunstdenkmälern. Die Reihe geht zurück auf Georg Dehio (1850-1932), der Kunstgeschichte an der Universität Straßburg lehrte und beim ersten Tag der deutschen Denkmalpflege in Dresden 1900 erstmals ein „Programm zu einem Handbuch der deutschen Denkmäler“ vorstellte, das eine Übersicht über alle Denkmäler „im Gebiet des deutschen Reichs“ bieten sollte. Das topographisch geordnete Nachschlagewerk sollte in der Zeit des beginnenden Tourismus auch Reisehandbach sein und sich an Fachleute wie Laien wenden. Die ersten Ausgaben erschienen von 1905 bis 1912. Es folgten fortlaufend überarbeitete Neuauflagen, auch in Zeiten des geteilten Deutschlands.

Die aktualisierte Neuauflage von Hessen I gilt für die Regierungsbezirke Gießen und Kassel. Eingefügt wurden, laut Mitteilung des Landesdenkmalamts in Wiesbaden, neue Forschungsergebnisse; neu aufgenommen worden seien auch Baudenkmäler des Historismus und der Klassischen Moderne, sowie Bauten der 50er und 60er Jahre. Letzteres allerdings nur sehr punktuell und nicht flächendeckend wie die kritische Durchsicht zeigt.
Den ursprünglichen Maßstäben aus Dehios Zeit folgend nehmen die historischen Kirchen(ruinen) den breitesten Raum ein, Kirchen der Nachkriegszeit kommen kaum vor. Ebenso Mangelware sind Industriebauten; Bahnhöfe, die häufig aus der Zeit des Historismus stammen, erhalten allenfalls kurze Sätze, obwohl die Denkmalpflege sie längst als „Kathedralen des Verkehrs“ wertschätzt. Immerhin ist das Leitz-Verwaltungsgebäude (1954-56) in Wetzlar genannt.
Bei näherer Ortsbetrachtung ergeben sich erhebliche Ungenauigkeiten, die vermutlich aus den Vorgängerausgaben übernommen und nicht korrigiert wurden. Für Gießen wird nach wie vor behauptet, dass durch Heirat der „Salome von Giezzen“ an Tübingen, Gießen kurzzeitig an die Pfalzgrafen ging; es ist spätestens seit dem Jubiläum 800 Jahre Stadt Gießen im Jahr 1997 bekannt, dass es deren Tochter Mechthild war, die an die Pfalzgrafen verheiratet wurde. Dergleichen Fehler gibt es allein an dieser Stelle mehrere.
Auch finden sich Bezeichnungen von Gebäuden, die vor Ort niemand kennt, für Gießen etwa die „Alte Gendarmerie-Kaserne“ an der Frankfurter Straße oder „Die neue Universität“ als Bezeichnung für das Universitätshauptgebäude an der Ludwigstraße. Von der Universität Gießen kennt der Dehio ansonsten nur noch das Bibliotheksgebäude von 1957, während für Marburg eine ganze Reihe von Universitätsinstituten und –einrichtungen aufgeführt werden, bis hin zum Auditoriengebäude (1960-64) an der Biegenstraße. Uneinheitlich ist auch die Nennung heutiger Nutzungen, was zugegebenermaßen schwierig ist, da diese wechseln können; aber dass auf Burg Gleiberg seit Jahrzehnten eine Gastronomie ist, wäre durchaus erwähnenswert.

Ein Vorschlag ist, bei künftigen Überarbeitungen, falls es diese im Zeitalter des Internets überhaupt noch geben wird, lokale Expert/innen mit einzubeziehen. Nach wie vor unschlagbar ist der „Dehio“ als Nachschlagewerk beim Denkmäler-Überblick über ganze Regionen. Die Sprache ist zwar sehr fachspezifisch, doch gibt es im Anhang neben einem Namensregister auch noch ein kleines Lexikon der Fachausdrücke. An Reiseführer werden heutzutage jedoch andere Ansprüche gestellt, vor allem im Bildbereich. Der „Dehio“ kennt nur topografische Karten und Gebäudegrundrisse (von Kirchen).
2.7.2009
Dagmar Klein
Dehio, Georg: Dehio - Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hrsg. v. Dehio Vereinigung. Hessen I: Die Regierungsbezirke Gießen und Kassel. Bearb. v. Cremer, Folkhard. 1000 S., 98 Pläne, Grundr., 1 Glossar 18 x 12 cm. Ln Deutscher Kunstverlag, München 2009. EUR 48,00
ISBN 3-422-03092-1
 
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