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Botschaften in Berlin

Der Umzug von Bundesregierung und Parlament nach Berlin war für fast alle ausländischen Vertretungen Anlass, ihre Botschaften ebenfalls in das neue politische Zentrum Deutschlands zu verlegen. Inzwischen sind die meisten Gebäude bezogen. Dabei zeigt sich: So zahlreich die in Berlin vertretenen Länder sind, so vielfältig ist die Architektur, mit der sie sich präsentieren. Dank dieser Botschaften sind zwischen Berlin Mitte, Tiergarten und Grunewald zahlreiche herausragende architektonische Akzente gesetzt worden. Doch auch die beispielhafte Wiederbelebung alter Botschaftsgebäude und die Umnutzung traditionsreicher Baudenkmale ist gelungen. Grund genug, mit einem Architekturführer erstmals die diplomatische Geschichte und die Architektur von insgesamt 129 Botschaften vorzustellen, der sich 16 Studierende von der Technischen Universität Berlin mit großem gewidmet haben. Die Botschaften der Länder Sri Lanka, Saudi Arabien, Kap Verde, Indonesien und Brunei Daressalam sind allerdings in diesem Archtekturführer leider nicht enthalten, da sie sich zum Zeitpunkt der Untersuchung noch im Planungszustand befanden, ebenso fehlt aus nachvollziehbaren Gründen die Botschaft des Irak.
Um das Buch auch vor Ort bei Spaziergängen nutzbar zu machen, sind die Botschaften im Katalogteil entsprechend ihrer Adressen topographisch gegliedert. Die Nummern, die den Anschriften beigefügt sind, verweisen auf zehn Stadtplan-Ausschnitte, mit deren Hilfe die Bauten für den Leser aufzufinden sind. Zudem wird der Überblick der Berliner Botschaften durch einen umfangreichen wissenschaftlichen Essayteil ergänzt, der in das Thema einführt.
Gelungen ist, dass in diesem Buch auch die Botschaftsarchitektur früherer Epochen im Wechselspiel zwischen Baukunst, Diplomatie und historischen Entwicklungen einbezogen wurden, und so ein Bild der Berliner Botschaften seit ihren Anfängen im Preußischen Königreich zeichnen. Hans-Dieter Nägelke, Geschäftsführer des Schinkel-Zentrums an der TU Berlin, hat eine materialreiche Einführung in die Geschichte des Botschaftsstandortes Berlin geschrieben. Sie führt von den diplomatischen Anfängen über die Entwicklung im Deutschen Kaiserreich nach 1871 bis hin zu den umfangreichen Planungen von Albert Speer, der die Neuanlage des Diplomatenviertels im Tiergarten initiierte.
Während die Ruinen der Botschaften nach 1945 langsam verfielen, setzte andernorts der diplomatische Austausch ein. Im geteilten Deutschland gab es dabei naturgemäß zwei Standorte, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Martin Petsch schildert in seinem Essay erstmals die Geschichte der Botschaften der DDR, von der sowjetischen Botschaft an der Straße Unter den Linden, der Errichtung der ungarischen und polnischen Botschaften im Stil der Internationalen Moderne, bis hin zu den Typenbotschaften, die in Pankow entstanden. Dabei wird ebenso wie in dem Essay von Angelika Schyma vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege, die sich der Bauten der Bundeshauptstadt Bonn angenommen hat, deutlich, wie stark architektonische Maßnahmen und zeitgeschichtliche Entwicklungen einander durchdringen. In der Bundesrepublik waren die Vorläufer der diplomatischen Vertretungen die Militärregierungen der drei westlichen Siegermächte, die nach ihrer Umstrukturierung in zivile Besatzungsbehörden mit ihren Hohen Kommissaren als Repräsentanten die Militärgouverneure ablösten. Erst mit der Ratifizierung der Pariser Verträge wurde die Hohe Kommission aufgelöst und die Kommissariate in Botschaften umgewandelt. Dieser provisorische Charakter Bonns, kam lange Zeit nicht nur in den Bauten des Bundes zum Ausdruck, sondern auch in denen der ausländischen Botschaften. Erst gegen Ende der alten Bundesrepublik hin, schien sich aus dem Provisorium eine dauerhafte Einrichtung zu entwickeln: dem Bau von Günter Behnischs gläsernem Plenarsaal für den Bundestag entsprachen dabei die Planungen für ein neues Bonner Botschaftsquartier. Verwirklicht wurde davon jedoch nur noch die syrische Botschaft, bevor 1990 die Deutsche Einheit erfolgte.
Mit dem Umzug nach Berlin entstand eine ganz neue Botschaftsarchitektur, die Jürgen Tietz beleuchtet. Zahlreiche ambitionierten Neubauten setzen dabei durch die Verwendung landestypischer Baumaterialien einen Gegenpol zur vorherrschenden inter-nationalen Formensprache der Botschaften. Doch es gibt auch Parallelen zum Umzug von Bundesregierung und Parlament: Viele Botschaften, die nicht an ihre alten Standorte zurückkehren konnten, nahmen sich denkmalgeschützter Altbauten an, holten damit ein Stück Berliner zurück und verbanden damit Tradition mit einem offenen und modernen Botschaftsbetrieb.
Eine weitere Beachtung verdienen die Residenzen der Botschafter, die Kerstin Englert vorstellt. Diese Bauten dienen sowohl einer öffentlicher Repräsentation, als auch der Privatheit der Botschaftsfamilien. Darum befinden sich zahlreiche Botschaftsresidenzen heute in den Berliner Villenvororten Grunewald und Dahlem. Diese Landhäuser, häufig Altbauten aus der Zeit vor 1933, bieten ein ideales diplomatisches Parkett. Während weitläufige Räumlichkeiten im Erdgeschoss der Repräsentation dienen, sind die Privaträume kleinteiliger, während der angrenzende Garten beiden Zwecken dient.
Dass der Leser dabei zahlreiche Räume kennen lernt, die ihm sonst verschlossen bleiben, verdankt er Alfred Engelerts Fotografien. Ein umfangreiches Gloassar mit diplomatischen und architektonischen Fachbegriffen, sowie ein Register der Länder sowie der Architekten. Ein solides Werk, das auch noch in Jahren zur Hand genommen werden wird.
vdr
Botschaften in Berlin. Architektur und Diplomatie. Hrsg. Kerstin Englert, Jürgen Tietz. 306 S. 311 Abb., dav. 53 fb. 28 cm. Ebr Gebr. Mann, Berlin 2003. EUR 29,80
ISBN 3-7861-2472-8
 
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