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Luft – Schlösser. Berlins unvollendete Bauten

In Berlin wird gebaut, und das nicht erst seit gestern. In verstärktem Maße entstanden in Berlin neue Architekturen nach dem Fall der Berliner Mauer aber auch schon in den Fünfziger oder Sechziger Jahren. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche des Karlsruher Architekten Egon Eiermann oder der 17geschossige Stahlskelettbau "Unité d'Habitation Typ Berlin" von Le Corbusier. Zwei Beispiele von unzähligen. Glaubt man dem Mythos, so hat Berlin eigentlich immer schon, zumindest spätestens nachdem die Stadt Ende des 19. Jahrhunderts zur industriellen Metropole anwuchs, gebaut.
Dass dabei nicht alles, was mit oftmals nicht wenig Euphorie entworfen worden war, auch realisiert wurde, versteht sich von selbst. Dargestellt wurde diese Geschichte des nicht gebauten Berlin freilich noch nicht. Andreas Hoffmann, der im Transit Buchverlag schon über "Verschwundene Orte. Prominente Abrisse in Berlin" publiziert hat, behebt diesen Mangel mit der vorliegenden Veröffentlichung "Luft - Schlösser. Berlins unvollendete Bauten“ nunmehr für die Zeit seit 1949 bis zur Gegenwart.
Rund zwei Dutzend gescheiterte Bauvorhaben werden präsentiert. Nur ein kleine Auswahl. Zum Beispiel ein auf dem Areal des einstigen Gestapo-Hauptquartiers, dem Prinz-Albrecht-Gelände neben dem Martin-Gropius-Bau vorgesehener Landeplatz für Hubschrauber oder die mehrjährige Sanierung der Bauakademie Karl Friedrich von Schinkels durch die DDR inklusive hernach erfolgtem Abriss, ein Projekt, das unübersehbar Parallelen mit dem Palast der Republik besitzt. Die Lektüre der "Luft-Schlösser" ist spannend, das Buch gut geschrieben, nur an einigen wenigen Stellen wirkt der Stil etwas gehetzt, denn die vielen Fakten, die der Autor an solchen Stellen verarbeitet, sind den Lesern nicht ebenso vertraut. Nicht ohne ein gewisses Schmunzeln nimmt man als Leser die aus präzisem Detailwissen heraus verfasste Darstellung zur Hand. Zuweilen wird man angesichts der immensen Kosten einzelner Bauvorhaben auch die Stirne runzeln. Hier ist das Buch politisch. Und das ist gut so, gerade auf dem Hintergrund des Mythos. Die Idee des Autors, die vergebliche Bewerbung Berlins als Austragungsort der Olympischen Spiele aus Sicht griechischer Göttinnen und Götter zu schildern, ist köstlich und wirklich gelungen. Das Buch ist immer erhellend, denn der Autor, lässt seine Leser an den vielfältigen Diskussionen um die nicht gebauten Projekte teilhaben.
Hätten Sie gewusst, dass in Berlin im Jahre 1949 während der Berlin-Blockade an mehreren Stellen nach Braunkohle geschürft wurde, Berlin also sozusagen fast dem Ruhrgebiet Konkurrenz gemacht hätte, oder dass die DDR in den Fünfziger Jahren an der Stelle des gesprengten Berliner Stadtschlosses einen 150 Meter hohen sozialistischen Turm nach Moskauer Vorbild plante?
Lesen Sie dieses Buch auch dann, wenn Ihnen diese Projekte bekannt gewesen sind, es dürfte sich nämlich anderes Bemerkenswertes finden. Ein Buch für Architekten, ganz ohne Zweifel, und natürlich alle, die - wie der Autor - von Berlin und der Geschichte dieser Stadt nach wie vor begeistert sind.
Matthias Mochner
Andreas Hoffmann: Luft - Schlösser. Berlins unvollendete Bauten. 128 S. 54 Abb. Gb. 2003. EUR 16,80,
ISBN 3-88747-182-2
 
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