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Gedächtnisarchitektur und Natur als Gestaltungsfrage

"Gedächtnisarchitektur - Formen privaten und öffentlichen Gedenkens" heißt ein kleiner Sammelband, der - herausgegeben von Ingeborg Siggelkow - acht Beiträge von Joachim Wossidlo, Thomas Ratzka, Insa Eschebach, Volker Kirchberg, Stefanie Endlich, Susanne Lanwerd, Waltraud Schade und der Herausgeberin vereint. Wer eine stringente, in sich geschlossene Auseinandersetzung mit dem symbolischen Gehalt von Architektur, mit ihrer Funktion der Erinnerung oder mit der Vorbildwirkung gebauter Beispiele erwartet, wird enttäuscht werden. Es handelt sich um eine lockere Ansammlung von Betrachtungen, die so unterschiedliche Themen wie - unter anderem - die Gesellschaftsgeschichte des Hotels Adlon in Berlin, das Denkmal von Dani Karavan für Walter Benjamin in Port Bou, die Entstehungsgeschichte der "Nationalen Mahn- und Gedenkstätte" Ravensbrück, die Auseinandersetzungen um das Holocaust - Denkmal in Berlin oder Grabmäler des 19. Jahrhunderts als Ausdruck individuellen Gedenkens behandeln. Der Lesbarkeit tut der Verzicht auf systematische Zusammenfassung keinen Abbruch. Der jeweilige Bezug auf ein oder wenige konkrete Beispiele gewährleistet, dass hier keine abgehobenen Theorien vorgetragen werden. Die einzelnen Artikel sind gerade in ihrer Verschiedenartigkeit anregend. Als "roter Faden" verbindet dabei die meisten Beiträge die Erkenntnis, dass "Bedeutung" von Denkmälern, Mahnmalen und Gebäuden in einer pluralistischen Gesellschaft unterschiedlich wahrgenommen wird, dass sich "Bedeutung" im Zeitablauf ändert, und dass insofern mit gebauten Zeugnissen auch Beziehungen zu früheren Interpretationen und deren gesellschaftlichem Umfeld hergestellt werden.
Während die Autoren der "Gedächtnisarchitektur" überwiegend ein unterhaltender, erzählerischer Schreibstil attestiert werden kann, gilt dies für Wolfram Höfer und sein Werk „Natur als Gestaltungsfrage" in keiner Weise. Die Dissertation ist eine sprödes, schwer lesbares Werk. Das überrascht insofern, als der Verfasser Landschaftsplaner und nicht Philosoph ist. Wolfram Höfer unterwirft sich der anspruchsvollen Aufgabe, Philosophie und Gesellschaftswissenschaften - von Immanuel Kant über Karl Popper bis zu Jürgen Habermas und Richard Sennet - in breitem Umfang zu rezipieren und in Beziehung zu setzen. Dabei bleiben die von ihm dargestellten Aussagen auf einem abstrakten Niveau. Im Vordergrund steht nicht das Anliegen, aus der Durchdringung empirischen Materials heraus selber Theorien zu entwickeln bzw. weiterzuentwickeln, sondern das Ziel, bereits formulierte Theorien aufzunehmen und in ihren Beziehungen untereinander und bezüglich der Landschaftsplanung zu diskutieren. Wer z.B. sich erhofft, aus der Analyse aktueller landschaftplanerischer Werke Rückschlüsse auf die Verfassung unserer Gesellschaft vorgetragen zu bekommen, wird enttäuscht werden. Stattdessen referiert der Autor Richard Sennet, Pierre Bourdieu, Gerd Mutz und andere und konstatiert einen Wandel zur "flexiblen" Gesellschaft und einen damit einhergehenden Bedeutungsgewinn des "Ästhetischen" und des kreativen Akts des landschaftsplanerischen Entwurfs - ohne dies hinreichend an konkreten Beispielen zu belegen. Fazit: Ein ambitioniertes Werk, dessen Gebrauchswert für den normalen Leser, für den praktizierenden Landschaftsplaner und die Nutzer gebauter Landschaftsarchitektur indes eingeschränkt ist.
Dieter v. Lüpke
Gedächtnisarchitektur. Formen privaten und öffentlichen Gedenkens. Hrsg. v. Siggelkow, Ingeborg. 01/2001. ca. 134 S. - 21 x 14,8 cm. (Kulturwissenschaften ) Br DEM 49,- fPr
ISBN 3-631-37472-0
 
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