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Construction Matters

Die Verständigung darüber, was die Qualität von Bauwerken ausmache, wird durch den Umstand erschwert, dass dieselben Ergebnisse außerordentlich vieler Sachverhalte und -zwänge sind. So begnügen sich viele mit eng und einseitig motivierten Urteilen – seien diese pragmatischer, konstruktiver, sozialer, geschmacklicher oder ästhetisch-theoretischer Natur. Nicht so der in New York praktizierende und lehrende Architekt Georg Windeck, der schon mit dem doppeldeutigen Buchtitel – Construction Matters heißt sowohl „Konstruktionssachverhalte“ als auch „Die Konstruktion zählt!“ – den Anspruch erhebt, konstruktive Lösungen nicht nur als solche zu analysieren, sondern auch deren Rolle in der Gesamtkonzeption architektonischer Werke in den Blick zu nehmen. Und er erfüllt diesen Anspruch mit Bravour! Das Buch ist nach den Werkstoffen Backstein, Stahl, Holz und Beton gegliedert. Seine Befunde in einer Fülle exquisiter Zeichnungen veranschaulichend, untersucht er in jedem Kapitel paradigmatische Bauwerke, die technologisch avancierte Lösungen in den Dienst einer konsequenten Baugrammatik und Raumbildung stellen. Im Falle des Stahls werden vor allem das Farnsworth House (1951) und die Neue Nationalgalerie (1968), beide von Ludwig Mies van der Rohe, als einander komplementäre Bauten gedeutet: während die biegensteifen Verbände der Nationalgalerie ausschließlich aus Flachstahl „zusammengeschweißt“ wurden, kamen im Farnsworth Haus ausschließlich linear beanspruchte Warmwalzprofile zum Einsatz. Diese Profile erlaubten Mies die Idee des alle Massivität aushöhlenden Raums bis ins kleinste Baudetail hinein zu artikulieren - z. B. werden die Stützen mittels der Doppel-T Profile zu „negativen Säulen“. Darüber hinaus liegt das revolutionäre räumliche Potenzial des damals noch neuartigen Punktschweißverfahrens nicht nur in der offensichtlichen Unsichtbarkeit der Verbindungen, sondern in der Umkehrbarkeit der Elemente: Fuß- und Kopfpunkte oder Böden und Decken können identisch behandelt werden. Das Haus als Ganzes wird zu einem beliebig orientierbaren Balken, der optisch und konstruktiv analog zu seinen Gliedern funktioniert. Sinnig, dies an einem Haus zu demonstrieren, welches sich zyklisch in den Überschwemmungen des Grundstücks spiegelt. Und letztlich konsequent, dass die Glieder dieses schwebenden Gespinsts weiß, die der „Schwerkraftarchitektur“ der Nationalgalerie schwarz gestrichen wurden.
Einerlei, ob sich der Leser von einem eher konstruktiv oder ästhetisch geprägten Ufer auf diese Bild-Text Brücke begibt: selten wird er mit so viel Genuss und Überraschung Einblick in verschiedene Architekturen erhalten haben.

18.01.2020
Holger Kleine
Georg Windeck: Construction Matters. Power House Books, Brooklyn New York 2016. Hrsg.: Edited by Lisa Larson-Walker, Sean Gaffney and Will Shapiro. 232 S., 20 x 25 cm, Gb. $ 40,00
http://www.powerhousebooks.com/books/construction-matters/
ISBN 978-1-57687-778-4
 
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