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Badefreuden

Seinem Aufbau nach gibt das Buch vor, ein Reiseführer zu sein. Die sieben Kapitel zeichnen eine Route nach, die vom Taunus nach Süden zum Bodensee über einen kleinen Abstecher in die Schweiz in Zickzacklinien nach Osten führt, um in Ungarn zu enden. Bereits diese Tour wirft Fragen auf, da sie sich im geographischen Raum der Heilquellen befindet, die besprochenen Orte allerdings nicht unbedingt Bäder sind, wie zum Beispiel München. Mal abgesehen vom westlichen Beginn der Reise, erkundet die Autorin einen Bereich, der sich in den Grenzen des einstigen kaiserlichen und königlichen Österreichs bewegt. Aber die besprochenen Bäder sind überwiegend Bauten des 20. Jahrhunderts, nicht des 19. Wie kommt diese Auswahl also zustande? Der Leser wird darüber nicht aufgeklärt.

Liest er die katalogartigen Texte zu den besuchten Orten, wird schnell deutlich, dass das Buch kein Reiseführer ist. Dieser müsste ja über den Ort und seine Geschichte aufklären. Die reich bebilderten Texte fokussieren aber öffentliche Badeanstalten und zwar aus architekturhistorischer Perspektive. Das heißt, Architekten werden vorgestellt, Kriterien des Stils besprochen, Beispielbauten eingeführt: Das führt dazu, dass der Münchenteil mit bebilderten Exkursen nach Chemnitz, in die Eifel und nach Rom (Mitteleuropa?) durchkreuzt werden kann, um architektonische Vorbilder vorzustellen. Es handelt sich bei „Badefreuden“ also eigentlich um einen Architekturführer. Doch ist dann die Einteilung nach dem Ort sinnvoll? Wäre eine Chronologie, die sich grob an den Stilen des 20 Jahrhunderts orientiert, oder eine Typologie, die die Bäder in städtische Bäder, Heilbäder, Schwimmbäder, Fluss- und Seebäder einteilt, nicht für den Leser als Struktur aufschlussreicher gewesen? Ist für einen Architekturführer des 20. Jahrhunderts überhaupt die Konzentration auf Mitteleuropa sinnvoll? Bei der architektonischen Einordnung der Hallenkonstruktion der Olympiaschwimmhalle in München muss die Autorin die Perspektive gen Melbourne öffnen, um über Tokio und Berlin in der Gegenwart in London anzukommen, leider in diesem Fall ohne ein einziges Bild. Für einen Architekturführer gibt es übrigens eindeutig zu wenige und zu kleine Grundrisse.

Auch ist das Buch mit seinem erweiterten DIN A 5 Format und dem schweren Fotodruckpapier nicht besonders günstig für einen Reise- und Architekturführer, den man ja zum Flanieren mitnimmt. Ein tragbareres Format hätte sich angeboten. Doch betrachtet man die optische Erscheinung der einzelnen Seite, muss man die Größe des Buches genau im gegenteiligen Sinne bedauern: Wäre der Band doch nur größer, Coffeetableformat, dann könnte man die hübschen Bilder betrachten, die nun oftmals winzig und leider noch häufiger über die Mitte einer Doppelseite gesetzt sind. Dies ist umso bedauerlicher, da auch die Fotos großteils von der Autorin stammen und extra für dieses Werk gemacht wurden.

So liegt mit den „Badefreuden“ ein Buch vor, das formal alles ist und nichts richtig, das also in seinem Konzept nicht befriedigt. Zudem bleiben die vielen Informationen, die von einer genauen Aufarbeitung durch die Autorin zeugen, ohne einleitenden Text vereinzelt, die Struktur fehlt, die Themenstellung ist undurchsichtig.

Was macht ein Bad außergewöhnlich? Selbst diese durch den Titel aufgeworfene Frage wird im Buch nicht geklärt und verkommt so zum Werbeslogan. Schade.
Vera Herzog
Meder, Iris. Badefreuden. Eine Reise zu den außergewöhnlichsten Bädern in Mitteleuropa. Durchgehend farbig. 21 x 16 cm. Gb. Metro Verlag, Wien 2012. EUR 9,90
ISBN 978-3-99300-051-6
 
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