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Fehling+Gogel - Die Max-Planck-Gesellschaft als Bauherr

Auch wenn der Ausstellungskatalog die drei großen Wissenschaftsbauten Fehling+Gogels ins Zentrum der Betrachtung rückt, die für die Max-Planck-Gesellschaft in Berlin und München entstanden sind, so lässt sich die Publikation doch auch als eine „heimliche Monographie“ über das noch immer weniger bekannte Werk des Berliner Architekturbüros bezeichnen, da die Publikation weit über die Darstellung dieser drei Bauten hinausgeht.
Für die relative geringe Bekanntheit der Architekten Hermann Fehling (1909-1996) und Daniel Gogel (1927-1997) sind mehreren Faktoren ausschlaggebend: Zum einen führte die Entscheidung der Architekten ihren Nachlas dem Schweizer Architekturmuseum in Basel zu überlassen dazu, dass eine architekturhistorische Aufarbeitung zunächst verzögert wurde und Publikationen über Fehling+Gogel demzufolge rar sind, wie Matthias Seidel darstellt. Es existieren lediglich Artikel zu den Bauten in Fachzeitschriften und drei Ausstellungskataloge, von denen sicherlich „Fehling+Gogel. Architekturen 1947-1980“ von 1981, den die Architekten selbst konzipierten, als der wichtigste zu nennen ist. Die dazugehörige Ausstellung war neben Stationen in Deutschland, auch im „Istituto Nazionale di Architettura“ in Rom zu sehen, was die Wahrnehmung Fehling+Gogels in Italien begründete. Die Ausstellung und der kleine von Piergiacomo Bucciarelli publizierte Band „L’architettura di Fehling e Gogel. Vitalità dell’espressionismo“ (1981) können auch als Auslöser für die Einladung der Architekten zum Fiat-Lingotto-Wettbewerb 1984 angesehen werden.
Zum anderen ist das Werk der Architekten von einer Eigenständigkeit geprägt, der man mit den üblichen Schlagworten, wie „spätexpressionistisch“, „Scharounschule“ oder „organische Architektur“ nicht vollständig gerecht wird. Vielmehr gleitet das gewohnte sprachliche architekturhistorische oder –kritische Instrumentarium an ihrer skulpturalen und dynamisch aufgefassten Architektur ab, deren komplexen räumlichen Zusammenhänge sich letztlich nur durch die Bewegung im Sinne einer „promenade architecturale“ erschließen lassen. Der gesamte Formenreichtum, den Fehling+Gogel in ihren Bauten entfalten, ist jedoch nie ein reiner Effekt, sondern sie reagieren stets höchst individuell auf die Notwendigkeiten und Besonderheiten der Bauaufgabe.

Die Einleitung zu Leben und Werk von Fehling+Gogel erwähnt auch den Anteil der anderen prägenden Büropartner wie Peter Pfankuch, der von 1951-60 gleichwertiger Büropartner war und Walter Arno Noebel, der von 1974-80 dem Büro angehörte. Das Werk wird charakterisiert und in Bezug zu den prägenden Einflüssen etwa von Erich Mendelssohn, Hans Scharoun oder Hugo Häring gestellt. Die Autoren, Gunnar Klack und Matthias Seidel, erwähnen aber auch die Rezeption von Motiven des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright, wie etwa die diagonale Erschließungsachse oder die schneckenartige Aufwicklung eines Gebäudes. Thorsten Dame schildert, dass die Wettbewerbsentscheidung für Hans Scharouns Berliner Philharmonie wie ein Katalysator für die Durchsetzung einer expressiven und organischen Architektur wirkte. Fehling+Gogel, die im Wettbewerb den zweiten Preis gewonnen hatten, konnten daraufhin die Institutsbauten für die Max-Planck-Gesellschaft realisieren und damit zeigen, dass sich eine derartig individuelle Formensprache nicht nur für Kulturbauten eignet, sondern sich auch auf Bauten für Wissenschaft und Forschung übertragen lässt. Für die Max-Planck-Gesellschaft bedeutete dies zudem, dass sie sich durch neue und zeitgemäße Bauten von der Vorgängerinstitution der „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“ emanzipieren konnte.
Nach einer ausführlichen Darstellung der Institutsbauten, dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin, dem Max-Planck-Institut für Astrophysik Garching und dem European Southern Observatory Garching, die als Hauptwerke der Architekten bezeichnet werden können, schließt sich in der Publikation ein Werkverzeichnis an, das alle bis heute bekannten Werke von Fehling+Gogel versammelt. Erarbeitet wurde dies von den Herausgebern zusammen mit den Architekturhistorikern Andreas Barz, Alexander Hoff und Thomas Steigenberger. Chronologisch werden darin erstmals in lückenloser Folge die Entwürfe und Bauten des Büros bzw. der Architekten vom „Trümmerhaus“ (1947, nicht realisiert) bis zum Gegenentwurf für den „Potsdamer Platz (1992)“ präsentiert sowie auch einige bislang unbekannte Entwürfe vorgestellt. Einigen besonders herausragenden Werken, wie etwa dem Berlin-Pavillon, dem Studentendorf Schlachtensee oder der Paul-Gerhardt-Kirche, wurde dabei in der Analyse etwas mehr Raum eingeräumt, um ihre Bedeutung hervorzuheben.
Die Publikation besticht auch durch Layout und Design, was die Zuordnung der komplizierten Grundrisse und Ansichten erleichtert. Eine komplette kritische Monographie wollten die Autoren erklärtermaßen nicht erarbeiten, da derzeit zwei Dissertationen über Fehling+Gogel entstehen, sondern lediglich eine Grundlage zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Werk der Architekten leisten. Ein Anliegen, das man nur unterstützen kann, da die Epoche der Nachkriegsmoderne nach wie vor stark von Abrissen bedroht ist.

10.08.2011

Elmar Kossel
Fehling+Gogel. Die Max-Planck-Gesellschaft als Bauherr der Architekten Hermann Fehling und Daniel Gogel. Hrsg.: Gruss, Peter. 160 S., 33 fb. und 67 s/w Abb. Pb Jovis Verlag, Berlin 2009. EUR 29,80
ISBN 978-3-86859-050-0
 
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