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Gebauter Aufbruch. Neue Synagogen in Deutschland

„Gebauter Aufbruch“ – ein kleines Buch mit einem verheißungsvollen Titel, entstanden aus freudigem Anlass: Mainz baut derzeit ein neues jüdisches Gemeindezentrum an der Stelle der alten, in der „Kristallnacht“ 1938 zerstörten Synagoge. Damit wird in der Stadt jüdisches Leben wieder sichtbar, gesellschaftlich manifest durch eine Architektur, die sich selbstbewusst in den urbanen Raum eingliedert.
Die Perspektive des Bandes ist zunächst lokal, Herausgeber ist die „Stiftung Baukultur Rheinland-Pfalz“, die an der umfassenden Dokumentation baulicher Aktivitäten im eigenen Bundesland interessiert ist. Doch Peter Waldmanns kritisch-selbstkritische Einleitung weitet von Beginn an die Perspektive: der verhaltene Neubeginn jüdischen Lebens nach 1945, das Misstrauen der Juden gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und den „Tätern“ ist kein auf Rheinland-Pfalz begrenztes Phänomen, sondern ein deutsches, ja allgemeines. Architektur steht damit in einem sozialen, politischen, religiösen Kontext – und erst durch diese Einordnung kann die Dimension des „gebauten Aufbruchs“ begriffen werden. Denn der Aufbruch kam spät. Er ist seit den 1980er Jahren spürbar durch den Bau neuer Synagogen in ganz Deutschland. Und er wurde im letzten Jahrzehnt forciert durch die Zuwanderung von Juden aus Osteuropa.

Eine erfreuliche Bilanz des Dokumentationsteils über die neuen jüdischen Sakralbauten ist die (fast) durchgängig hohe Qualität der Architektur. Wie schon historisch kennt auch der zeitgenössische Synagogenbau keine stilistischen oder typologischen Eigenheiten. Er ordnet sich vollständig in das Baugeschehen der Epoche ein – Moderne oder Postmoderne –, verdichtet ihre Tendenzen für den Zweck heiliger Rituale. Eindrucksvoll ist dies mit der 2001 fertig gestellten Dresdner Synagoge gelungen (Wandel, Höfer, Lorch, Hirsch), ihrer formalen Reduktion, ihrer abstrakten Symbolik. Auch das Mainzer Projekt, entworfen von Manuel Herz, dem jungen Kompagnon der Basler Planer Herzog und de Meuron, wirkt auf den suggestiven Renderings wie ein Versprechen, den gebauten auch in den baukulturellen Aufbruch zu überführen. Doch freuen wir uns nicht zu früh. Solange jüdische Einrichtungen mit Zäunen bewehrt und polizeilich bewacht werden müssen, solange Juden sich in Deutschland fürchten, bleibt der Aufbruch ein unerfülltes Versprechen. Es liegt an der Gesellschaft insgesamt, die Botschaft der Bauten ernst zu nehmen.
16.4.2010
Christian Welzbacher
Knufinke, Ulrich. Gebauter Aufbruch. Neue Synagogen in Deutschland. Hrsg. Stiftung Baukultur Rheinland-Pfalz. 168 S., zahlr. fb. u. sw. Abb., 14 x 21 cm, Br., Schnell & Steiner, Regensburg 2009. EUR 19,90
ISBN 978-3-7954-2326-1   [Schnell & Steiner]
 
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