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Briefe aus Uruk-Warka

Einen Ausflug in die Praxis archäologischer Forschungen gewähren die Briefe des Archäologen Dr. Arnold Nöldeke, der in den Jahren von 1931 bis 1939 im Irak Grabungsleiter in der antiken Wüstenmetropole Uruk-Warka war.

Anfang des 3. Jahrtausends vor Christus befand sich in diesem Teil Mesopotamiens, südlich von Bagdad, am Euphrat gelegen eine antike Weltstadt mit zwei bis heute bedeutenden Heiligtümern. Aus Lehmziegeln errichtet sind von den einst prachtvoll geschmückten Bauten nur sehr wenige Reste erhalten geblieben. Von den geborgenen Funden erzählen die Briefe nur wenig, sondern viel mehr über die Widrigkeiten der Arbeits- und Lebensbedingungen der Forscher während der Grabungszeit. In den wöchentlichen Briefen, die Nöldeke während der insgesamt sieben Grabungskampagnen in den Wintermonaten an seine Familie in die Heimat schreibt, entfaltet sich ein Grabungstagebuch wie man es heute kaum noch nachvollziehen kann. Unter schwierigsten Bedingungen versucht Nöldeke mit einfachsten Mitteln und mit persönlichem Einsatz den Alltag so angenehm wie möglich zu organisieren.

Eigentlich fehlte es an allem, was das Leben auch in den 1930er Jahren bereits bequem machte. Es gab kein fließendes Wasser, keinen Strom, nur Wüste, Lehm und in Regenzeiten viel Schlamm. Die Unterkünfte bestanden aus Zelten und Bretterbuden bis Nöldeke aus den Erfahrungen der antiken Lehmziegeltechnik lernend in wenigen Wochen neue Unterkünfte bauen ließ. Diese waren nicht nur mit einfachen Mitteln zu bauen, sondern erwiesen sich in dem wechselhaften Klima temperaturtechnisch als ausgesprochen angenehme Behausung.
Ständig den Blick zum Himmel gerichtet, ob das Wetter auch mitspiele, organisierte Nöldeke komplizierteste Transporte durch die Wüste, auch dann, wenn der Regen mal wieder die gesamte Umgebung unter Wasser gesetzt hatte. Nicht selten kam es vor, dass die einheimischen Grabungshelfer die Arbeit verweigerten und versuchten, ihre Konflikte untereinander oder gegenüber der Irakischen Regierung zu Lasten der Grabungsleiter auszutragen. Dann griff Nöldeke ein und brachte mit viel diplomatischem Geschick und großer Sensibilität gegenüber den Stammesführern die Grabungshelfer wieder an die Arbeit.
Briefe und Nachrichten aus der Heimat brauchten mehrere Tage, sogar das 300 Kilometer entfernte Bagdad lag unendlich fern. Jede An- und Abreise nach Warka wurde zur logistischen Meisterleistung, und immer wieder drohte der Geldfluss aus Deutschland zu versiegen. Dass während dieser Jahre in Deutschland bereits der Nationalsozialismus sein Unwesen trieb, spielt in den Briefen Nöldekes so gut wie keine Rolle. Doch aufgrund seiner Haltung gegenüber seinen Mitarbeitern und der einheimischen Bevölkerung wird deutlich, dass er fremden Kulturen gegenüber durchaus aufgeschlossen war, den Menschen Respekt zollte und ihre Lebensgewohnheiten achtete. In Notsituationen half er spontan und völlig unbürokratisch. Die Liebe zur Archäologie und die Liebe zu den Erben dieser einstigen Hochkultur war sein ständiges Leitmotiv.

Das Buch braucht geduldige Leser. Nach einer kurzen Einleitung über die politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Forschungsbedingungen zwischen Deutschland und dem Irak der 1930er Jahre folgen auf fast 300 Seiten die Briefe Nöldekes an seine Familie, begleitet von vielen Fotos und einigen Karten. Eigentlich passiert an diesem gottverlassenen Ort nicht sehr viel oder besser gesagt, Tag für Tag fast immer das Gleiche. Und doch hat man am Ende des Buches das Gefühl, einiges mehr über den Vorgang archäologischer Grabungen und ihre Forscher erfahren zu haben.
22.3.2009
Gabriele Klempert
Dr. Arnold Nöldeke, Briefe aus Uruk-Warka 1931-1939. Hrsg. v. Ess, Margarete van /Weber-Nöldeke, Elisabeth. 348 S., 85 Abb. 24 x 17 cm. Gb. L. Reichert Verlag, Wiesbaden 2008. EUR 49,00
ISBN 3-89500-485-5   [L, Reichert]
 
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