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Die Felsgräbernekropole der Qubbet el-Hawa bei Assuan

Umfangreich ist die Grabungsgeschichte des Gräberberges Qubbet el-Hawa (arabisch für Hügelkuppe des Windhauchs) auf dem Westufer des Nil gegenüber der Insel Elephantine. Nach ihrer recht späten Entdeckung und Arbeiten von europäischer als auch ägyptischer Seite fanden schließlich groß angelegte Grabungen durch den Bonner Ägyptologen Elmar Edel in den Jahren 1957–1984 statt. In 20 Feldkampagnen wurden vor Ort umfangreiche Studien und Ausgrabungen betrieben, die nicht nur die Aufnahme der Wandinschriften, sondern auch eine Dokumentation der entsprechenden Funde, dabei auch Menschen-, sowie Tierknochen beinhaltete. Einen besonderen Fokus legte die Grabung freilich auf das Auffinden beschrifteter Denkmäler, die dem philologisch versierten Elmar Edel besonders am Herzen lagen. Ihnen sind vor allem auch die von ihm bislang publizierten Vorberichte und Monographien zum Gräberberg gewidmet. Besondere Bedeutung nehmen dabei sicherlich die heute im Ägyptischen Museum Bonn befindlichen 1911 althieratisch beschrifteten Keramikgefäße ein. Die Grabungen Edels waren lange Zeit als vorwiegend philologisch ausgerichtete Grabungen kritisiert und auch innerhalb des Faches eher skeptisch beäugt worden.
Umso wichtiger ist der hier zu besprechende Band, den der Ägyptologe Karl-Joachim Seyfried und der Architekt Gerd Vieler nach dem Tode Elmar Edels im Jahre 1997 schließlich 2008 in Aufarbeitung der alten Archivbestände herausgegeben haben. Ihnen gelang es ein sehr umfangreiches vierbändiges Werk (3 Textbände und 1 Tafelband als Schuber) zusammenzustellen, das letztlich in besonderem Maße auf den Aufzeichnungen, Manuskriptvorlagen und weiterem Archivmaterial aus dem Nachlass des Bonner Ägyptologen beruht.
Herausgekommen ist ein liebevoll und konsequent zusammengestellter Katalog, der die Grabungsergebnisse nach Gräbern – geographisch geordnet – vorstellt. Dabei wurde auf eine klare Gliederung geachtet, die dem Leser gestattet, schnell an die entsprechenden und relevanten Informationen zu gelangen: Zunächst wird jeweils die Architektur im Allgemeinen beschrieben, es folgen die Einzelheiten zum Vorhof und der weiteren Bestandteile des Grabes mit der jeweiligen Auflistung der dort gemachten Funde inklusive ihrer Provenienz bis zum heutigen Aufbewahrungsort, soweit noch bekannt. Dabei sind nicht nur die entsprechenden Karten und Schnitte abgebildet, sondern auch ein Großteil der Funde sowohl in Foto/Archivnegativen sowie Zeichnungen präsentiert. Im Lieferumfang befindet sich auch ein im Quartformat edierter Schuber mit Karten und Abbildungsmaterial, welcher 85 Strichtafeln, die den epi- und ikonographischen Befund der einzelnen Grabwandszenen illustrieren, sowie 43 Architekturpläne, darunter ein Gesamtplan zur Qubbet el-Hawa mit dem Stand der Bonner Ausgrabungen, enthält.
Dem Katalog ist eine Zusammenstellung der Forschungsgeschichte, sowie eine Liste der Publikationen Edels mitsamt Übersicht der einzelnen Grabungskampagnen vorangestellt. Dem folgt ein weiterer wichtiger Teil: Im Nachlass fanden die beiden Wissenschaftler nämlich nicht nur eine Vielzahl von Plänen, Zeichnungen und Notizen sondern auch diverse Materialproben (Holz, Fauna, Flora und Mineralien), die mithilfe der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften (Düsseldorf) untersucht werden konnten und deren Ergebnisse in Form des kurzen listenartigen Kataloges zusammengestellt wurden (LVIII–XC). Das von den physischen Anthropologen Rainer und Renate Knußmann, Friedrich W. Rösing und Stephan Klug ausgewertete Knochenmaterial findet sich jeweils kommentiert innerhalb des Gräberkataloges. Im folgenden Abschnitt sind ebenso listenartig, die heute noch in der Bonner Sammlung befindlichen Objekte aus den Grabungen Edels, gefolgt von einem Personen- und Titelverzeichnis mit allen durch Nennung in den Gräbern oder auf diversen Fundstücken genannten Daten aufgeführt. Herauszuheben sind hier sicherlich die für die altägyptische Literaturgeschichte und Historiographie so wichtigen Texte wie die aus der Doppelgrabanlage des Sabni und Mechu (QH 25/26) und die Analyse des Textes aus dem Grab des Expeditionsleiters Herchuif (QH 34 n).
Wie die Herausgeber betonen, wurde zwar besonders darauf geachtet die Notizen Edels und seiner Mitarbeiter zu respektieren, doch zeigte sich wohl recht schnell, dass sehr viel weniger bereits manuskriptverwertbares Material vorlag. Es ist den beiden Herausgebern daher gar nicht hoch genug anzurechnen welch immense Arbeit sie in das Material investierten; alle die Schnitte, Zeichnungen und Pläne als Vorlagen nahmen, um viele der Befunde zu rekonstruieren und erneut zu beschreiben. Als besonders gelungen kann neben der sehr klaren und guten Beschreibung der Architektur sicher die sehr auf Neutralität und Minimalismus achtende Deskription der archäologischen Funde und Befunde gelten. Klar und weitgehend interpretationsfrei wird hier der Status quo der entsprechenden Situation – soweit noch rekonstruierbar – wiedergegeben, der für weiterführende Forschungen grundlegend ist und sein wird. Eine große Rolle nehmen hierbei freilich die Kommentare zu den in den Gräbern teils nur noch sehr fragmentarisch erhaltenen Textquellen ein, an deren Lesung und Interpretation sich die Meisterhaftigkeit Edels wohl am besten ausdrückt.
Den beiden Herausgebern ist ein im wahrsten Sinne des Wortes monumentales Werk gelungen, mit dem sie zugleich auch seinem Hauptautor, dem verstorbenen Elmar Edel ein dauerhaftes Denkmal setzen. Es zeigt zudem, dass die Kritik an der Arbeit Edels – so angebracht sie sicher auch gerade für die Anfangsjahre der Grabung sein mögen – sehr viel differenzierter gesehen werden muss. Gerade die vielen Materialproben, Schnitte, Befundaufnahmen etc. belegen eine für die entsprechende Zeit ordentliche und fundierte archäologische Ausgrabung, die sicher auch sehr von den von Edel herangezogenen Spezialisten wie u. a. dem Ägyptologen E. Pusch profitiert hat. Elmar Edel hat seinerzeit allerdings nur einen Bruchteil der Grabungsdokumentation genutzt. Während er sich in seinen eigenen Publikationen vorwiegend auf die schriftlichen Quellen stützte, zeigt sein Archivbestand eine sehr viel differenzierte Grabungspraxis, die sicherlich zum Überdenken der Person Edels führen muss. Bedenkt man in jedem Falle die oft schlechte Erhaltung der Gräber mit deren Wanddarstellungen und beschrifteten Szenen, so kann vor dem Philologen Edel nur der Hut gezogen werden, wenn man seine Interpretationen und Kommentare zu den entsprechend schlecht und fragmentarisch erhaltenen Quellen betrachtet.

19.05.2013
Robert Kuhn - Berlin
Edel, Elmar. Die Felsgräbernekropole der Qubbet el Hawa bei Assuan, 1. Abteilung (Band 1-3). Architektur, Darstellungen, Texte, archäologischer Befund und Funde der Gräber QH 24 - QH 209. Aus dem Nachlaß verfasst und herausgegeben von Karl-J. Seyfried und Gerd Vieler. Hrsg.: von Seyfried, Karl J ; Vieler, Gerd. 2226 S., 2680 Strichzeichng.. 815 Halbtonabb., 28 Abb. auf 24 Farbtaf., 88 Strichtaf. (Epi- u. ikonograph. Befund), 43 Pläne, Schöningh, Paderborn 2008. Gb. EUR 414,00 CHF 538,00
ISBN 978-3-506-76343-3
 
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